Was bisher geschah:
Hier könnt ihr euch die bisherigen Einträge rund um die fünf Jungs, die vor dem Fernseher ein Fussballspiel verfolgen, lesen. Nun aber viel Spaß mit der aktuellen Ausgabe:
Zum x-ten Mal wird die erotischste Szene der ersten Halbzeit im TV wiederholt. Der Freistoßschütze zieht sich im Zeitlupentempo die eng geschnittene Hose hinauf, sodass die knappen Hosenbeine nach innen verschwinden. Sein bestes Stück wird nur noch bedeckt von einem Hauch aus Polyester und Baumwolle. Quasi ein modernes Feigenblatt, wie es einstmals den Intimbereich barocker, humanistischer Davidfiguren verdeckte. Der Schütze weiß, dass der Vergleich mit Michelangelos David durchaus berechtigt ist. Beide werden sie bewundert, über beide werden Geschichten geschrieben, Bilder vervielfältigt und Legenden gesponnen. Beide sind sie übermenschlich muskulös geformte Statuen: der eine aus weißem Marmor, der andere aus Fleisch und Blut. Beide verstecken ihre göttlichen Körper nicht vor den voyeuristischen Augen ihrer Betrachter. Beide tragen ihr Haar im zeitgemäßen Stil: der eine lockig, der andere pomadig. Der Blick des Schützen, kurz bevor er zum Stoß anrennt, ist ähnlich stechend wie Davids Augen. Hier endet die Gemeinsamkeit. David ist ein Held, eine biblische Figur, in Stein gemeißelt, aber zugleich zurückhaltend, bescheiden, einer von uns. Nicht so der Schütze: Seine Augen wenden sich uns zu. Er sucht den Blickkontakt, weiß, wo die Kameras ihm am besten in die Augen schauen, damit sein Blick die Zuschauer durchbohren kann. Damit gibt er zu verstehen: Betrachtet mich, weidet euch an meiner Schönheit, meinem Körper, meiner Überlegenheit, meiner Übermenschlichkeit, meinem Über-Ich. Zugleich sollt ihr wissen, dass ich kein Spiegelbild euresgleichen bin. Ich bin mehr. Ich bin besser – unerreichbar, in Ewigkeit, Amen. Der Schütze ist ein selbsternannter Messias, der sein eigenes Fleisch zur lebenden Statue meißelt, ein Blender, dem nur die verlorenen Fussballseelen folgen. Selbstsicher in seiner Arroganz, einer von denen da oben, keiner von uns. Während die Bilder immer wieder laufen, herrscht auf der gemütlichen Couch Normalbetrieb: Man trinkt, gähnt, lacht, tippt etwas ins Handy oder kratzt sich am Hintern.
Er macht das Ding einfach rein. Dafür hat man ihn geholt.
Die fünf Freunde hängen wie gewohnt auf der Wohnzimmercouch herum. Im Livespiel ergibt sich nochmals eine Angriffschance. Sie lauschen den letzten Worten des Reporters für die erste Halbzeit. Nach halblustigen Wortspielen suchend, hüstelt dieser: Der groß gewachsene Stürmer stößt mit Wucht in den Strafraum vor, streichelt den Ball wie sonst nur seine Ehefrau, wackelt zweimal mit seinem Hintern und kommt zum Schuss.
Posch: „Mit solchen Sätzen könnte man hervorragend Pornos kommentieren. Wäre überhaupt ein spitzenmäßiger Zusatzverdienst für Sportreporter. Sie bräuchten sich nur Sätze und Worte überlegen, die in beide Genres passen. Wenn sie dann mit so einer Liste zur Arbeit gehen, bräuchten sie die Liste vor dem Kick oder Fick quasi nur runterlesen. Der Blick auf den Bildschirm vor ihnen ist dabei nicht mehr zwingend notwendig, da ja auch der Zeitpunkt des Kommentars kaum eine Rolle spielt. Die Szenen wiederholen sich ja da wie dort.”
Troissler: „Das junge Talent zieht sich aus und macht sich bereit.“
Posch: „Zum Beispiel. Ohne Bilder dazu kann man sich entweder einen Nachwuchsspieler oder einen Toyboy vorstellen. Sätze wie dieser wären ideal für die Kommentarliste der Sport-Porno-Moderatoren. Ein weiteres Beispiel: Unverwechselbar streichelt er die Haut, bevor er zum Abschluss kommt.“
Stegisch: „Er macht das Ding einfach rein. Dafür hat man ihn geholt.“
Adelmann: „Jetzt kam der Dicke durch, vorne war alles offen.“
Schwarz: „Nach einer herben Attacke wurde er aufs Gras gelegt.“
Stegisch: „Die beiden wälzen sich auf der Linie im Schlamm: ein nassfeuchtes Vergnügen.“
Schwarz: „Latte.“
Posch: „Lattenpendler.“
Die Wettbüros hätten auch ihre Freude. Man könnte zuhören und danach auf Sex or Soccer tippen.
Adelmann: „Ein dreckiges Handgemenge, das aber zum Erfolg führte.“
Troissler: „Die Zuschauer brechen in Ekstase aus. Drin ist drin, egal wie.“
Posch: „Er befreit sich aus der Umklammerung, stößt nach vor, bis die Abwehr erschlafft. Und so weiter und so fort. Da könnte man auch ein, zwei lustige Fussballer-Zitate einbauen, gibt ja genug davon.”
Troissler: „Hat nicht ein gewisser Tormann der Bayern mal gesagt: Wir brauchen Eier, Eier! Ich hoffe, ihr wisst, was das heißt.“
Schwarz: „Also ich weiß, was das heißt.“
Stegisch: „Die Reporter müssten sich dann mehr mit dem Thema Bodylanguage beschäftigen, wenn sie in beiden Bereichen erfolgreich sein wollen.“
Adelmann: „Die Wettbüros hätten auch ihre Freude. Man könnte den Sport-Porno-Moderatoren ohne Bild zuhören und danach auf Sex or Soccer tippen.“
Schwarz: „Die Sex-Fussball-Parallelen sind ja eigentlich naheliegend, nicht nur diese Sätze sprechen dafür. Männern oder Frauen treffen sich beim Fussball, um körperlich überschüssige Energie abzubauen, oftmals sicherlich als Ersatz zum fehlenden Geschlechtsverkehr. Bewegt man seinen Körper nicht mehr ganz so grazil und zielsicher über den Strafraum, bleibt noch immer die Rolle des Zusehers. Als Voyeur des Geschehens kann man wenigstens im Jubel zum Höhepunkt kommen. Die voyeuristische Rolle nimmt man ja auch beim Verfolgen bewegter Nacktbilder ein. Ziel ist auch hier die Ejakulation.“
Stegisch: „Hier wie dort kommt man nicht immer zum Schuss. Niederlagen gehören zum Sex- und Fussballleben dazu, asexuelle Unentschieden leider auch.“
Posch: „Das 0:0 ist wie ein unfreiwilliges Zölibat.“
Troissler: „Oftmals führen äußere Umstände zum Erschlaffen beider Teams, weshalb niemand den Jubelorgasmus anstimmen kann.“
Eier, Eier! Ich hoffe, ihr wisst, was das heißt.
Posch: „Apropos Sex und so. Kennt ihr die Geschichte von einem der wenigen Auftritte Franco Fodas in der deutschen Nationalmannschaft?
Alle antworten mit Nein, er setzt fort: „Am 12. Dezember 1987 trat die deutsche Nationalmannschaft in Brasilia gegen Brasilien an. Beim Stand von 1:0 für die Heimmannschaft wurde in der 82. Minute Franco Foda eingewechselt. Als der Stadionsprecher die Ankündigung machte, brachen 20.000 Zuschauer in schallendes Gelächter aus. Sie lachten so laut und so lange, dass ihnen selbst der Ausgleichstreffer völlig egal war. Sie umarmten sich vor Lachen, sie wälzten sich am Boden, lachten einfach bis sie Bauchweh bekamen.“
Stegisch: „Wow, was soll denn das für eine langweilige Historikergeschichte sein, Poschi?“
Posch: „Moment. Sie lachten, weil Foda auf Portugiesisch umsonst ficken bedeutet.”
Erst nach Nachforschungen in diversen Internetforen und Übersetzungsplattformen glaubten sie ihm diese Geschichte.
Adelmann: „Wenn ich an die sich immer wiederholenden Strip-Shows nach Toren, an die Kussorgien, Umarmungen, Schlammcatchereien, Nachbesprechungen unter der Dusche und die siegestrunkenen Feiern im Entspannungsbecken denke, fällt mir immer wieder auf, dass ein Thema beim Fussball – ähnlich wie beim Militär – rigoros ausgeklammert wird…“
Schwarz: „…die Männhorde als Innbegriff des Geistes der männlichen Gruppe über die sexuelle Herausforderung durch die Frau, als Triumph der phallischen Sittlichkeit über die vaginale Dekadenz?“
Adelmann: „Ähm, ich meinte eigentlich Homosexualität im Fussball.“
Schwarz: „Achso das. Ja, die Homosexualität bleibt ein völliges Tabuthema. In Zeiten, wo es als Politiker gut ist, schwul zu sein, wo Gesetze endlich in Richtung gesellschaftlicher Normen angeglichen werden, wo Regenbogenfahnen zur Ausstattung jeder Studenten-WG gehören, wo sogar die Großelterngeneration endlich geläutert ist, sich selbst Vatikanmitarbeiter outen und Gay-Pride-Paraden für jedermann und jederfrau zum Partykracher werden, sollten Fussballer endlich Farbe bekennen und sich outen.“
Er weiß, dass er die kollektive Ekstase entfachen kann.
Troissler: „Deshalb meintest du beim Spruch vom Bayern-Goalie, dass du weißt, was das heißt.“
Stegisch: „Den Spruch kann man nicht oft genug hören: Eier, Eier! Ich hoffe, ihr wisst, was das heißt.“
In diesem Moment wiederholt sich das Bild der ersten Halbzeit nochmals. Die lebende Statue, der muskulöse Fleischkoloss mit pomadig gelegter Frisur starrt mit seinem stechenden Blick in die Kamera. Ein Blick, der nun tief in die Augen seiner Zuschauer eindringt. Hinein in jenen Teil des Gehirns, der zum Nachdenken anregt und weiter zu dem, der sich die gesehenen Bilder merkt. Nun ist sein Blick dort, wo er hin wollte. Das merkt er, das ist seine Stärke. Er lässt niemanden kalt. Jeder muss hinsehen. Jeder muss über ihn reden, über ihn diskutieren, über ihn lästern, ihn bewundern oder verachten. Ein kleines süffisantes Lächeln kommt ihm über die Lippen. Er weiß, dass er die kollektive Ekstase entfachen kann. Dazu muss er das Ding nur mehr reinmachen….
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