Reportage
Von Schwalben, Falken und Tauben – Fussball in Georgien (Teil 2)

Shevardeni 1906 vs. Shukura Kobuleti (1.7.2018)

Die Weltmeisterschaft läuft zeitgleich und noch dazu spielt heute der Veranstalter, der große Nachbar im Norden, sein Achtelfinale gegen die Furia Roja. Über die Fernsehschirme der Stadt flimmern spanische Querpassorgien und russischer Beton, während ich mich auf die Suche nach der Davit-Petriashvili-Arena mache. Dem Taxifahrer ist der Name zunächst kein Begriff, doch nach Konsultation mit einigen Nardy spielenden Kollegen winkt er mich in seinen 2er-Golf und steuert das Ziel am rechten Mtkvari-Ufer überzeugt an. Fernab vom Glanz des vom touristischen Zentrums hat man unter anderem für die U19-Europameisterschaft 2017 in der urbanen Peripherie zwischen sozialistischem Wohnbau und steppenähnlichen Stadtausläufern ein kleines Stadion inklusive Hotel aus dem Boden gestampft. Vor letzterem lädt mich Taxifahrer Giorgi , dem Shevardeni nichts zu sagen scheint, ab. Immerhin gibt es den traditionsreichen Verein auch erst seit drei Jahren wieder, nachdem man 1996 den Spielbetrieb einstellen musste. Die letzten 100 Meter gehe ich zu Fuß, wobei mir ein Rudel Straßenhunde klarmacht, dass ich besser nicht gekommen bin, um zu bleiben.

Es läuft familiär ab, wenn man das öffentliche Desinteresse an der heutigen Partie zwischen den Hausherren und Shukura Kobuleti euphemistisch umschreiben möchte. Meine Frage nach Tickets sorgt für allgemeine Heiterkeit bei der Stadion-Security, deren Präsenz auch nur mit gesetzlicher Notwendigkeit zu erklären ist. Mich eingeschlossen haben sich handgezählte 38 Zuseher, darunter fünf Zuseherinnen, eingefunden, um eine Antwort auf die brennende Frage, wie sich der Tabellenstand in der zweiten Liga entwickelt, zu bekommen. Wir machen uns auf schlumpffarbenen Sitzen breit, deren Zustand geschickt kaschiert, dass das Stadion eigentlich brandneu ist. Die Tartanbahn ums Spielfeld ist ebenfalls in der Farbe eines Gelato aus Kindheitserinnerungen gehalten. Nur der zweireihige VIP-Club, dessen Besuch jedem Anwesenden freisteht, hebt sich durch rote Polstersessel ab. Gastronomie? Fehlanzeige. Immerhin der Medienbereich ist stattlich besucht. Welche Partie kann sonst schon von sich behaupten, ein Verhältnis von 1:6 zwischen MedienvertreterInnen und BesucherInnen aufzuweisen?

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Reportage
Von Schwalben, Falken und Tauben – Fussball in Georgien (Teil 1)

Sie wüssten so wenig über den Fussball in Zentralasien, monieren Adelmeier und Steghauser in ihrer letzten (und zwölften) Podcast-Ausgabe. Aus diesem Grund wäre eine gemeinsam ausgerichtete Weltmeisterschaft in Kirgistan, Tajikistan, Turkmenistan und Usbekistan zu unterstützen, denn es würde helfen, diese Länder auf unseren geistigen wie realen Landkarten zu verorten und (Fussball-)Kulturen kennenzulernen, die ihnen bislang unbekannt wären. Uns ist bewusst, dass König Fussball ein globales Phänomen ist. Dass er überall gespielt wird. Dass auch die Verbände von Bhutan und Bangladesch oder Tonga und Tuvalu gelegentlich elf Mann auf ein Spielfeld fernab unserer Aufmerksamkeit delegieren. Doch wie sich das im Konkreten gestaltet, entzieht sich zumeist unserer Kenntnis. So können viele Fussball-Aficionados problemlos den aktuellen Mittelstürmer von West Bromwich Albion oder den Ersatztorwart des FC Augsburg benennen, aber wenn der- oder dieselbe dann eine Handvoll Vereine aus einer Liga, die nicht Woche für Woche im Free- oder Pay-TV zu sehen ist, aufzählen soll, dann trennt sich die Spreu vom Weizen. Abseits der perfekt kommerzialisierten Hochglanzprodukte von Premier League, Primera División und Co. geht es aber da wie dort um Emotionen auf den Rängen, um Lokalkolorit und die Grundeinstellung: „Support your local team.“

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