Es ist immer noch Winter, immer noch kalt und zumindest hierzulande heißt es nach wie vor Warten auf die Frühjahrssaison. Nichtsdestotrotz meldet sich Am Kickplatz in dieser für Fußballfans schwierigen Zeit voller Entbehrungen zurück aus der Pause. In der Unionhalle Graz habe ich mir zum ersten Mal in natura ein Spiel der regen österreichischen Futsal-Szene angesehen und soviel gleich vorweg: Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, mich hat’s gepackt. Hohes Tempo, viel Emotion und Tore en masse. Was will man mehr?
Bevor ich zu meinen Live-Eindrücken komme, vielleicht ein paar Fakten zum “kleinen Bruder” des Fußballs: Seine Ursprünge hat dieser Sport in Südamerika, genauer gesagt in Brasilien, wo 1952 die erste Futsal-Liga gegründet wurde. Von der FIFA 1989 als eigenständige Variante des Hallenfußballs anerkannt, dauerte der Weg nach Österreich noch ungefähr bis ins Jahr 2002. Damals wurde Futsal vorwiegend im Nachwuchsbereich und als Bestandteil des technischen Trainings an den Ausbildungszentren der Landesverbände gespielt. Eine erste inoffizielle österreichweite Meisterschaft startete im November 2006, was die Sportart im Lauf der kommenden Jahre immer bekannter und populärer machte. 2010 wurde Futsal schließlich in den ÖFB eingegliedert, im gleichen Jahr wurde auch die erste offizielle Meisterschaft ausgetragen. Derzeit gibt es zwei heimische Ligen, in denen sechzehn Mannschaften aktiv sind. Gespielt wird fünf gegen fünf auf einem normierten Handballfeld mit sprungreduzierten Bällen der Größe 4, Banden gibt es im Vergleich zum herkömmlichen Hallenfußball nicht. Die Spielzeit wird netto gemessen und beträgt 2 x 20 Minuten, regulatorische Besonderheiten machen das Spiel temporeich und trotz aller Körperbetontheit steht Technik statt Härte im Vordergrund. So ist zum Beispiel das Grätschen prinzipiell verboten, direkte Rückpässe an den Torwart ebenfalls und Standardsituationen müssen innerhalb von vier Sekunden ausgeführt werden. Darüber hinaus werden Regelverstöße kumuliert geahndet, ab dem sechsten Teamfoul pro Halbzeit gibt es einen Zehn-Meter-Strafstoß für den Gegner. So viel zur grauen Theorie.
Hohes Tempo, viel Emotion und Tore en masse
Aufeinandergetroffen sind am frühen Abend des 20. Jänners der Sportski Futsal Klub Libero Graz und Stella Rossa tipp3 Wien in Gruppe A der 1. ÖFB Futsal Liga. Zu meiner besonderen Freude konnte ich mich vor dem Spiel mit Bojan Krpic treffen, seinerseits Offensivspieler und Kassier der Heimmannschaft, der verletzungsbedingt pausieren musste und zumindest an diesem Tag auch noch die Trainerrolle übernahm. Der charismatische und gut vernetzte 29-Jährige hat als Fußballer schon viele Stationen hinter sich, zu seinen besten Zeiten etwa beim FC Gratkorn oder auch beim FC Gleisdorf. Mittlerweile widmet er sich neben dem Futsal aber zunehmend seiner Rolle als Trainer bei der U17 des SC Kalsdorf und der U10 der Gleisdorfer Fußballschule Raffl. Der Sportski Futsal Klub Libero Graz, kurz SFK, wurde in seiner jetzigen Form erst 2014 von den Familien Krpic und Tesic gegründet, damals noch in erster Linie um in organisierter Form regelmäßig an Kleinfeldturnieren im In- und Ausland mitzuspielen und solche auch selbst zu organisieren, wie mir Bojan erzählte. Die Wahl auf Futsal als Sinn und Zweck des Vereins fiel dann eher zufällig, nicht zuletzt aufgrund von guten Kontakten zur Sparte Futsal im steirischen Landesverband, der den Verein zur Teilnahme an der bereits etablierten Futsal Liga des ÖFB animierte. Alles Weitere kann durchaus als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden, die den Verein bis in die höchste Spielklasse geführt hat. Diese ist derzeit in zwei Gruppen zu je fünf Mannschaften unterteilt. Ein etwas eigenwilliger Umstand, der aber in erster Linie der kurzen Saisondauer geschuldet ist, wie ich erklärt bekam. In Österreich gibt es im Vergleich zu europäischen Ländern wie Spanien oder Portugal keine Futsal-Profililiga, dementsprechend auch kaum Sportler, die sich ausschließlich dieser Randsportart widmen. Die Meisterschaft wird somit notwendigerweise in der kurzen Zeit von November bis Februar ausgetragen, also in der Winterpause der herkömmlichen Fußballvereine, aus denen sich die Futsalteams speisen. Der Kader oder viel mehr das Kollektiv von Libero Graz besteht aktuell aus ca. vierzig Spielern, so Bojan. Bemerkenswert dabei: Angefangen von den untersten Klassen bis zur Sky Go Ersten Liga kommen sie aus den verschiedensten Clubs und stehen zusammen am Feld, trainiert wird zweimal die Woche. Um zu vermeiden, dass Teams im Zuge der Meisterschaft zwei Spiele an einem Tag absolvieren müssen (wie noch in der Saison 2016/2017) werden mittlerweile eben in zwei Gruppen mit Hin- und Rückrunde jene vier Teams ermittelt, die um den Meistertitel kämpfen. Libero Graz spielt in diesen Playoffs heuer leider keine Rolle mehr, vielmehr fürchtet das Team um den Klassenerhalt.
Auf mich wartete ein gemeinsames Bier mit der Siegermannschaft
Musste das Heimspiel der achten Runde gegen den FC Diamant Linz aufgrund von krankheitsbedingtem Spielermangel noch abgesagt werden (was einem 0:6 gleichkommt), war die letzte Runde gegen Tabellenführer Stella Rossa aus Grazer Sicht mehr als erfreulich. Gemeinsam mit etwa fünfzig anderen Zusehern sah ich eine rasante und spannende Partie, obwohl die Grazer erneut mit einer stark dezimierten Ersatzbank zu kämpfen hatten. Nach einem 1:1 Pausenstand geriet man in Hälfte zwei schwer unter Druck und sah sich plötzlich mit 1:3 im Rückstand. In einem sensationellen Finish gelang allerdings noch der unglaubliche Endstand von 5:3, der Platz vier und somit den Klassenerhalt sichern hätte sollen. Die Fans waren verzaubert und erstmals an diesem Abend verursachte nicht die Schiedsrichterpfeife den höchsten Lärmpegel in der Halle. Auf mich wartete ein gemeinsames Bier mit der Siegermannschaft und auch die Schiedsrichter nahmen sich in der Kantine noch Zeit zum Fachsimpeln.
Alles also eitel Wonne, Sonnenschein? Leider nicht. Wirft man einen Blick auf den Endstand der Tabelle, steht der SFK Libero Graz mit nach wie vor vier Punkten an letzter Stelle. Das Spiel gegen Stella Rossa ist mit 0:6 dokumentiert. Was war passiert? Wie ich am Telefon erfahre, wurden aufgrund des personellen Engpasses bei den Grazern zwei Spieler erst wenige Tage vor dem Meisterschaftsspiel einberufen und für das Spiel gemeldet. Zu spät, wie sich herausstellen sollte, eine offizielle Spielerlaubnis für den 20.1. war nicht gegeben. Seitens der Konkurrenz wurde dieser Formalfehler bei der Liga beanstandet, eine Strafverifizierung war die Folge. Nachdem derzeit aber eine Aufstockung der Liga auf zwölf Mannschaften in der kommenden Saison diskutiert wird, ist auch der Klassenerhalt theoretisch noch möglich. Die Zukunft entscheidet sich somit am grünen Tisch. Wie auch immer die Sache ausgeht, ich wünsche dem Sportski Futsal Klub Libero Graz für die Zukunft noch viele sportliche Erfolge und sage Danke für den freundlichen Empfang!