Die fünf Freunde kleben fest an ihren, in der ersten Halbzeit erkämpften, Sitzpositionen. Es klingelt nochmals.
Posch, dessen Sitzposition am Boden neben der Couch unbequem ist, sagt: „Der Hausherr geht.“
Adelmann, der Hausherr, dessen Position auf der Couch neben dem Bier- und Snacktisch, äußerst bequem und praktisch zugleich ist, sagt: „Der am Boden sitzende Pöbel geht.“
Schwarz, ebenfalls eine erhöhte Position auf der Couch innehabend, fügt hinzu: „Die Pforte ist dem Pöbel am Boden ein zu Öffnendes. Das würde der lateinische Plebs wohl sagen.“
Troissler: „Ich bin Spartacus. Und weil ich muss….mach ich gleich auf.“
Troissler, selbst bislang nur stehend hinter der Couch positioniert, schreitet in Richtung Tür, öffnet diese mit einem schnellen „Hallo“, und biegt in die Toilette ab.
Eibel betritt den Raum: „Ich begrüße meine Fussballfreunde mit einem dreifachen, was frisst die Kuh, was frisst die Kuh?“
Der Rest, brüllend: „Heu, Heu, Heu!“
Wir schreiben im Gedanken gerade die Bibel des Fussballs und nennen sie ‚Boom‘.
Eibel: „Sorry für’s Zu-Spät-Kommen, hab ich viel verpasst?“
Stegisch: „Nur vier Tore, rote Karten, einen Flitzer, ein Bierfiasko und eine ziemlich verwirrende Halbzeitanalyse, sonst nichts.“
Eibels Gesicht verfinstert sich für alle sichtbar. Er lässt sich seine Enttäuschung ob der Versäumnisse jedoch nicht anmerken.
Stegisch: „Du kommst genau richtig. Wir schreiben im Gedanken gerade die Bibel des Fussballs und nennen sie Boom. Geschichten vom Paradies bis zu den Fussballjüngern gäbe es en masse. Aber ein epischer Klassiker für die Glaubensschafe benötigt noch ein starkes Ende. Paradiesisches oder apokalyptisches Ende?“
Eibel: „Kein Fussball ist die Hölle, also kann dessen Ende nur apokalyptisch sein.“
Stegisch: „Stimmt. Die Pforten der Hölle öffneten sich. Zuerst verschlänge das Höllenreich alle Stadien der Erde.“
Adelmann: „In der Bibel öffnet das Lamm die sieben Siegel und lässt die vier apokalyptischen Reiter frei. In der Boom schließt Lahm – inzwischen FIFA-Präsident – die letzten sieben Ligen.“
In der ‚Boom‘ schließt Lahm die letzten sieben Ligen.
Posch: „…und dann sah das Publikum ein weißes Pferd, und der, der auf ihm saß, hatte einen weißen Anzug und eine weiße Weste und in der Hand hielt er einen weißen Koffer. Darin befand sich rein gewaschenes Geld. Der Reiter hieß Korruption und sein weiß gebleachtes Lächeln blendete das Publikum und machte es fast blind.“
Eibel: „…und dann sah das Publikum ein feuerrotes Pferd und der, der auf ihm saß trug ein brennendes Trikot und brennende Fussballschuhe. Seine brennenden Haare loderten und er sprach mit feuriger Zunge: ‘Kauft, ihr Fussballschafe, kauft. Hier gibt’s brennende Trikots.’ Und die Schafe kauften, denn das Trikot war hot und schmiegte sich hervorragend an jedermanns und jederfraus Körper. Der Reiter hieß Kommerz und verschwieg, dass sich das brennende Trikot in die Leiber der Träger brannte.“
Stegisch: „… und dann sah das Publikum ein schwarzes Pferd und der, der auf ihm saß war nackt. Er stellte seinen gestählten Körper zur Schau. Seine überproportionalen Muskeln, getränkt in Tiroler Nussöl, glänzten, sodass sich jeder darin spiegeln konnte. In der Hand hielt er eine Ampulle mit schwarzem Inhalt und an seinem Rücken befanden sich sieben Schläuche, die an sieben Konserven hingen, durch welche er durchwegs mit frischem Blut und Erythropoetin versorgt wurde. Der Reiter hieß Doping und ließ Blut auf die Menge regnen.“
Adelmann: „…und als Lahm die letzte Liga schloss, sah das Publikum ein fahles Pferd und der, der auf ihm saß, trug einen verbleichten, vergilbten Morgenmantel und Birkenstocksandalen. Sein Kopf hing stets gesenkt, da er sein langes fettiges Haar nicht mehr tragen konnte. Der Reiter hieß Langeweile. Es zog ein Heer aus müden, passiven, trägen und inaktiven Dämonen mit ihm, die Besitz ergriffen vom Publikum und den letzten Spielern. Nichts bewegte sich mehr. Kein Ball rollte. Kein Mensch rannte. Zeit- und Raum implodierten.“
Ein Lied aus feurigen Chips und eiskaltem Dosenbier.
Schwarz: „Ihr seid mir zu negativ, boys. No good vibes, no feeling good. Fussball ist doch Vergnügen. Darum geht’s doch. Der Boom kann doch nicht mit dem Untergang enden. Die Leser suchen doch Antworten im geschriebenen Wort. Sie suchen nach dem, was sie vergnügt, nicht betrübt. Weil der Zustand des Wohlbefindens, den der Mensch im Fussball sucht, dazugehört, um gegen die Beschwerlichkeiten des Alltags unempfindlich zu sein. Im unglücklichen Ende spüren sie aber das Wohlbefinden nicht.“
Stegisch: „Ruhe! Epische Glaubenssätze enden mit dem Untergang.“
Troissler bedient die Spüle.
Kurze Zeit später sagt Troissler: „Sorry Jungs, aber ich muss abdampfen. Bis zum nächsten Mal.“
Troissler geht ab. Schwarz geht auf’s Klo, Adelmann in die Küche, Stegisch zum Kühlschrank. Posch wittert die Chance auf eine bessere Positionierung
Das Spiel um die Couch beginnt: Ein Lied aus feurigen Chips und eiskaltem Dosenbier.
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