Am Kickplatz
Mit Marlboro an der Outlinie

Die positive Nachricht zuerst: Sie hat tatsächlich ja gesagt. Der ganze letzte Monat stand trotz laufender Herbstsaison für mich weniger im Zeichen des Fußballs, sondern vielmehr in dem meiner Hochzeit. Es wurde geplant, ausgiebigst gefeiert und schließlich geflittert. In Summe also wenig Zeit für Kickplatz-Atmosphäre, Rasengeruch und Kantinenbier. So viel zur „schlechten“ Nachricht – ich gelobe Besserung.

Mein letzter Besuch beim heimischen Fußball-Unterhaus fand am 26. August bei noch hochsommerlichen Temperaturen statt. Am Plan stand dabei ein Heimspiel des traditionsreichen Grazer Sportclub Straßenbahn gegen die Sportunion Hitzendorf II in der zweiten Runde der 1. Klasse Mitte A. Als Heimstätte dient dem GSC ja bekanntlich die im Stadtteil Jakomini gelegene Gruabn, die bis 1997 vom SK Sturm Graz regiert wurde und Nostalgikerherzen beflügelt. Alles angerichtet also für einen formidablen Kick. Begleitet von meinem bald dreijährigen Sohn – Achtung, jetzt wird’s sentimental: es war sein erstes Livespiel – suchte ich mir direkt hinter den Ersatzbänken einen Platz. VIP-Bereich liest man da noch auf den Schildern. Exklusiv ist daran heute aber nur mehr die dicke Staubschicht auf den schwarz-weiß gepolsterten Sitzbezügen. Der traurige Zustand der alten Holztribüne sticht einem insgesamt sofort ins Auge: wucherndes Unkraut, verwahrloste Bänke und morsches Holz. Umso erfreulicher, dass durch die Initiative „Gruabnfunding“ bis zur Mitte dieses Jahres weit über 50.000 Euro zum Zweck der Renovierung gesammelt wurden. Womöglich wird noch heuer mit den Arbeiten gestartet.

Die schnellsten Antritte waren bei den regelmäßigen Trinkpausen in Richtung Wasserflaschen zu sehen.

Vor dem Anpfiff blieb ausreichend Zeit für einen Kantinentest, ich vergebe an dieser Stelle Bestnoten. Freundlich, sehr gut temperiertes Bier und ausgestattet mit einer Vielzahl an üblichen Kickplatz-Klassikern (vgl. „Die großen 10“ der Stadionsnacks aus Episode 03 unseres Podcasts). Vor gezählten 36 Zusehern, Kommentaren zufolge tippe ich auf Hitzendorf-Anhänger im niedrigen einstelligen Bereich, begann die Hitzeschlacht am Feld, orchestriert von „Hitzendorf-Hurendorf“ Rufen (pfui!). Für Kinderohren ist das natürlich nicht sonderlich gut geeignet, als verantwortungsvoller Vater ist mir das bewusst. Die Aufmerksamkeit meines Sohnes galt in diesem Moment und in den restlichen knapp 45 Minuten aber zum Großteil seiner Limonade und Laugenbrezel. Verpasst hat er dabei zugebenermaßen nicht viel, zumindest was das Geschehen am Platz betrifft. Sichtlich geplagt von Temperaturen jenseits der 30 Grad-Marke hielt sich das Spieltempo beider Mannschaften in Grenzen. Die schnellsten Antritte waren bei den regelmäßigen Trinkpausen in Richtung Wasserflaschen zu sehen. Ansonsten beherztes Geplänkel, Torchancen waren Mangelware. Und so stand es zur Halbzeit wenig überraschend 0:0. Wir holten Nachschub in der Kantine.

Je länger das Spiel dauerte, desto umstrittener wurde auch die Schiedsrichterleistung.

Die zweite Halbzeit startete ähnlich unspektakulär wie die erste geendet hatte. Der ausbleibende Torerfolg ließ den Coach der Auswärtsmannschaft sichtlich unruhig und aufbrausend stimmgewaltig werden. Dass er einen seiner Ersatzspieler während der ersten Halbzeit Zigaretten kaufen geschickt hatte, sollte sich nun wahrlich bezahlt machen. Mit dem Griff zur Marlboro versuchte er sein angeschlagenes Nervenkostüm wieder in Ordnung zu bringen. Es gelang nur mäßig. Je länger das Spiel dauerte, desto umstrittener wurde auch die Schiedsrichterleistung. Aufgrund des zunehmenden Kontrollverlusts über den Spielverlauf und skurriler Szenen – er vergaß zum Beispiel trotz Ankündigung die Durchführung eines Spielerwechsels – konnte er sich an diesem Nachmittag einiges anhören. Eine Gelb-Rote Karte gegen Hitzendorf kurz vor Schluss machte ihn auch nicht mehr beliebter. Quasi im Gegenzug und fast zeitgleich mit dem Schlusspfiff gelang den Hausherren dann völlig überraschend der Siegestreffer. Damit kam zum ersten Mal richtig Bewegung in das jetzt abgepfiffene Spiel. Sowohl Spieler als auch Betreuer nutzten die sich bietende Gelegenheit ausgiebig, um sich gegenseitig mitzuteilen, was man voneinander hält. Sachlichkeit stand dabei nicht zwingend im Vordergrund. So sparte etwa der Hitzendorfer Torwart nicht mit Kritik an der von Pomade glänzenden Frisur des Grazer Co-Trainers, wobei er insgesamt mit dessen Anwesenheit nicht einverstanden zu sein schien. Nach frustbedingten Tritten der Gäste gegen die Banden am Spielfeldrand wurde als ultima ratio auch mit Anzeigen gedroht (A: „I zag di an“, B:“Weg’n wos?“, A: „Is mir jo wurscht…“). Zu polizeilichen Ermittlungen kam es in weiterer Folge vermutlich nicht.

Auch Zuseher mischten sich schließlich zur Abrundung der Szene in die angeregte Diskussion am Spielfeld. Der besonnene Auswärtstrainer konnte die Gemüter aber etwas beruhigen und seine Jungs zum Rückzug in die sichere Kabine bewegen. Es kehrte wieder Ruhe ein. Maximal unbeeindruckt von diesen Szenen gab mir mein Sohn mit „Papa, ich bin müde“ das Startsignal für den Nachhauseweg. Bei einem gemeinsamen Erinnerungsfoto wurden wir vom siegreichen Trainer noch zu den weiteren Heimspielen herzlich eingeladen. Das Angebot werden wir bei Gelegenheit gerne annehmen und wünschen dem GSC viel Erfolg für die weitere Saison. Mit neun Punkten aus neun Spielen und Tabellenplatz acht bleibt aktuell ja noch deutlich Luft nach oben.

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