Petru Ciochirca und Edin Kudic 
„Wenn ich mir 100-prozentig sicher bin, dass das ein Strafstoß war, dann kann die Nord-, Süd oder Westtribüne schreien, was sie will.“ – Interview Teil 2

In Teil eins unseres großen Interviews haben wir mit Petru und Edin über die Karrieremöglichkeiten eines Schiedsrichters und ihre persönlichen Werdegänge gesprochen. Im zweiten Teil wollen wir wissen was sie antreibt, wie der Alltag für sie aussieht und welche Emotionen sie mit dem Spiel verbinden.

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Worin liegt für euch der große Reiz, Schiedsrichter zu sein?
Edin: Man kommt auf jeden Fall an Orte, wo andere nie hinkommen. Leute zahlen viel Geld um die Mannschaften und den Schiedsrichter zu sehen. Natürlich ist viel Aufwand dahinter, aber es ist schon etwas Besonderes, wenn man dann mal vor 25.000 Leuten steht.

Petru: Bei mir ist es ähnlich. Mittendrin statt nur dabei zu sein ist eine Passion von mir. Ich bin als Schiedsrichter im Profibereich unterwegs und kann mich da auch voll entfalten. Das Spiel in die richtigen Bahnen zu lenken ist meine Leidenschaft, unabhängig davon, dass es natürlich auch schlechte Erfahrungen gibt. Das war mir aber klar, als ich wusste, dass ich Schiedsrichter werden wollte. Wie bei einer Ehe, in guten und in schlechten Zeiten. Das größte Lob für einen Schiedsrichter ist es, wenn man nicht zum Thema wird. Und wenn Kritik kommt, dann muss man hinterfragen, ob sie berechtigt ist. Das Schiedsrichtern ist für mich die größte Lebensschule. Unterschiedliche Klassen, Spielertypen und Menschen, mit denen ich sonst nie ins Reden gekommen wäre. Durch den Fußball kommt man sofort ins Reden. Wenn sich dieses Feuer zum Fußball erstmal in einem entfacht hat, kann das auch übergehen in eine Passion zum Schiedsrichtertum. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ausreicht, wenn man sich freut gelbe Karten zu verteilen oder viele Ausschlüsse zu tätigen. Durch meine Spielleitung möchte ich für ein möglichst attraktives Spiel für das Publikum sorgen. Für die Konsumenten des Fußballs bin ich ja da, egal in welcher Klasse.  

Was macht das Leiten von Spielen in den unteren Ligen aus?
Petru: Es ist schon anders. Man hat hier mit Amateursportlern zu tun. Wenn ich freitags ein Landesligaspiel pfeife, dann sind da Spieler, die montags wieder arbeiten gehen. Da kann ich nicht so viel laufen lassen, sonst wäre das Verletzungsrisiko zu groß. Der Reiz liegt für mich vor allem in den Derbys. Da spielt vielleicht der eine Nachbar bei der einen Mannschaft, der andere bei der anderen Mannschaft. Fehring gegen Fürstenfeld oder Liezen gegen Irdning, die sind zwar gerade in unterschiedlichen Klassen, aber das sind prinzipiell die Spiele, die den Reiz ausmachen, die auch ein gewisses Zuschauerpotential haben. Wenn ich da auf den Platz rausgehe, dann knistert es einfach. Wenn man bei Rapid ist, dann knistert es zwar auch, aber das ist anders. Und wenn man es zum Beispiel mit der zweiten Liga vergleicht, dann ist die Zuschauerzahl oftmals dieselbe, aber die Leute stehen in der unteren Liga viel näher am Platz und fiebern ganz anders mit.

Edin, du bist ja auf dem Sprung in die Bundesliga. Gibt es jetzt schon etwas, das du vermissen wirst?
Edin: In der Bundesliga sieht man natürlich gleich jede Fehlentscheidung im Fernsehen. Im Amateurbereich wird man nicht immer auf jede Fehlentscheidung sofort angesprochen. Aber nur weil man in der Bundesliga tätig ist, heißt das ja auch nicht, dass man im Landesverband keine Spiele mehr pfeift. In der Länderspielpause ergibt sich vielleicht trotzdem noch die Möglichkeit. Das eine oder andere Derby würde ich sicher vermissen, es ist auf keinen Fall so, dass ich froh bin, weg zu sein.

Wie läuft ein Spieltag für euch ab?
Edin: Im Landesverband ist es nicht so streng wie in der Bundesliga. Man muss eine Stunde vor Anpfiff im Stadion sein. Die Pässe der Spieler werden kontrolliert und das Spiel wird im Internet freigegeben. Dann wird aufgewärmt, ansonsten steht nichts Besonderes an. Wenn ich davon ausgehe, dass es ein hitziges Spiel wird, dann überlege ich mir noch, auf welche Spieler ich aufpassen muss.

Hast du irgendwelche Rituale? Gibt’s bei euch auch dieses Anschwitzen am Vormittag?
Edin: Vormittags bin ich noch in der Arbeit. Neben den normalen Trainings am Dienstag und am Donnerstag gehe ich noch ins Fitnesscenter laufen und Rad fahren. Ein besonderes Ritual habe ich nicht.

Petru, wie läuft dein Tag vor dem Spiel ab?
Petru: In der Bundesliga ist die Matchvorbereitung etwas anders. Am Morgen vor einem Spiel starte ich den Tag mit Kräftigungs- und Mobilisierungsübungen. Abhängig von der Anstoßzeit und vom Spielort fahre ich meistens gegen Mittag los. Viereinhalb Stunden vor Anpfiff muss man im Stadion sein. Als Bundesligaschiedsrichter ist man verpflichtet dazu, den Platz zu besichtigen. Bei den aktuellen Bedingungen ist das aufwändiger als zum Beispiel im Mai, wenn eine Woche lange die Sonne geschienen hat. Wir bekommen vom ÖFB ein Tageszimmer zur Verfügung gestellt, wenn der Spielort weiter weg ist, können wir auch übernachten. Neunzig Minuten vor Anpfiff muss ich dann wieder im Stadion sein. Davor treffe ich mich meistens kurz auf einen Kaffee mit meinen Assistenten und dem vierten Offiziellen. Wir besprechen was uns vermutlich erwarten wird, gehen auf Fehler in der Vergangenheit ein, um diese zu vermeiden und schauen uns an, was gut funktioniert hat.

Also stimmst du dein Team vorab ein?
Petru: Definitiv. Meine persönliche Spielvorbereitung endet meistens schon am Dienstag, wenn sich das beruflich einteilen lässt. Am Montag muss ich, falls notwendig, die Hotelwünsche an das ÖFB-Reisebüro versenden und die Verrechnung erledigen. Dann schaue ich mir an, welche Spieler gesperrt sind und nicht im Kader sein dürfen. Meistens schaue ich mir auszugsweise auch ein bis zwei Spiele der Mannschaften an und verschaffe mir einen groben Überblick, den ich dann auch an meine Assistenten weitergebe. Christian Ilzer (Anm.: Trainer von Hartberg) hat eine unglaublich versierte Mannschaft. Er ist regeltechnisch sehr gut drauf und versucht sich daraus einen taktischen Vorteil zu verschaffen.

Kannst du uns ein Beispiel geben?
Petru: Als er beim WAC war, war er als Co-Trainer dafür verantwortlich, so wenig effektive Spielzeit wie möglich zu haben. Einerseits durch Fouls, andererseits durch Gespräche mit mir. “Schiedsrichter, darf ich hier einwerfen oder soll ich ein paar Meter zurückgehen. Passt’s Ihnen so? Soll ich noch ein, zwei Meter zurück?” Christian ist vom Taktischen her sehr beeindruckend. Man kann das auch bei Standardsituationen oder bei der Raumabdeckung beobachten. Er hat sich von den Isländern dieses Blocksystem abgeschaut, das die vom Rugby übernommen haben. Spieler stehen hintereinander und gehen plötzlich links bzw. rechts weg, oder ein Spieler steuert direkt auf den Gegner zu und schießt ihn einfach ab. Wenn zwei zusammenstoßen und liegen bleiben, dann öffnet sich natürlich ein Raum. Kommt der Ball dann dorthin und es steht zum Beispiel ein Roko Mislov (Anm.: Spieler von Hartberg) dort, der sehr kopfballstark ist, dann könnte das zu einem Tor führen. Diese Dinge versuche ich auch meinen Assistenten mitzugeben. Wenn vor den Assistenten ein Spieler der verteidigenden Mannschaft steht und ihnen die Sicht nimmt, ist es irrsinnig schwierig für sie, das Spielgeschehen in der Tiefe zu beobachten. Ich versuche ihnen dann ein paar Spielzüge der Mannschaften näherzubringen, damit sie ein Gefühl dafür bekommen, was uns in manchen Situationen vermutlich erwarten wird.

Wie trainiert ihr eure technischen Fertigkeiten wie Reaktionsfähigkeit oder Entscheidungsfindung?
Petru: Das ist eben einer der Punkte, in denen wir meiner Meinung nach noch professioneller werden könnten. Im psychischen bzw. psychoanalytischen Bereich könnten wir noch einiges tun, Mentalcoaching zum Beispiel. Ich bin sicher eine starke Persönlichkeit, aber noch meilenweit vom Zenit entfernt. Generell muss mein körperliches Training so ausgelegt sein, dass ich im Spiel bei 80 bis 90 Prozent meiner Fitnessleistung bin, damit ich immer einen klaren Kopf bewahren kann. Ich muss auch in der Nachspielzeit der zweiten Halbzeit konzentriert sein, auch wenn ich da vielleicht schon zwölf Kilometer gelaufen bin und einen harten Vormittag in meinem Beruf hatte. Außerdem ist, ähnlich wie bei den Spielern, auch für mich der Spielrhythmus wichtig. Wenn die regelmäßig über 90 Minuten spielen, fällt ihnen der Diagonalpass auch leichter als wenn sie das immer nur im Training machen. Wenn ich drei Wochen nicht pfeife, weil ich angeschlagen war oder eine schlechte Leistung erbracht habe, dann brauche ich auch ein paar Minuten, bis ich wieder reinfinde.

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Als Schiedsrichter ist man für Fans und Spieler gerne der Sündenbock. Wie geht ihr mit Aggressionen und blöden Sprüchen am Platz und auf der Tribüne um? Gerade als Assistent in den unteren Ligen rennt man ja direkt vor den Fans auf und ab. Oder, Edin?
Edin: Wahrnehmen tu’ ich es auf jeden Fall. Ich bin so ein Typ, der versucht das wegzustecken. Wenn ich aber gezielt wegen einer Situation kritisiert werde, dann fange ich schon leicht zum Nachdenken an. Wenn ich auf Abseits entscheide und sofort kritisiert werde, dann kann ich das nicht sofort wegstecken und es beschäftigt mich schon kurz.

Petru: Es hängt davon ab, wie sicher ich mir in meiner Entscheidung bin. Wenn ich mir 100-prozentig sicher bin, dass das ein Strafstoß war, dann kann die Nord-, Süd oder Westtribüne schreien, was sie will. Wenn ich mir selbst nicht ganz sicher bin, hinterfrage ich meine Entscheidungen natürlich auch. Wobei mir als Schiedsrichter bewusst ist, dass der Fußballverbraucher mich für die nächsten Entscheidungen beeinflussen will. Der Vorteil ist, dass die Fans erst schreien, nachdem ich meine Entscheidung getroffen habe und nicht während der Entscheidungsfindung.

Spieler sagen immer wieder, dass es sie motiviert, wenn Heimfans gegen sie sind. Als Schiedsrichter hat man oftmals die gesamten Fans gegen sich. Kann das eurer Meinung nach auch Motivation sein?
Petru: Ich glaube, man muss die negative Energie nutzen, um sich zu pushen. Ansonsten führt das zu einem Treibsandeffekt, wo du immer tiefer sinken wirst. Man muss es schaffen, daraus positive Energie zu gewinnen. Wenn die Fans schreien, stelle ich mir vor, dass sie mich anfeuern, auch wenn es utopisch ist. Ich spiele mit den Emotionen und münze sie in Energie um, wohl wissend, dass die Fans mich nicht immer lieben werden.

Gibt es besonders negative Momente, die euch in Erinnerung geblieben sind?
Petru: Negative Erfahrungen gibt es überall, aber ich versuche solche Dinge relativ schnell abzuhaken. Ich frage mich dann immer, ob ich zu den negativen Ereignissen etwas beigetragen habe, vielleicht durch meine Aussagen oder meine Körpersprache. Die selbstkritische Betrachtung solcher Situationen bringt immer etwas. Gewisse Dinge sind ohnehin vorgegeben. Manches kann man beeinflussen, bei manchen Kreuzungen im Leben kann man vielleicht mitbeeinflussen, wohin man abbiegt, aber ein gewisser Weg ist immer vorgegeben. Das ist zumindest meine Lebenseinstellung.

Wurdet ihr in eurer Funktion als Schiedsrichter jemals körperlich angegriffen?
Petru: Glücklicherweise ist mir in dieser Hinsicht noch nichts passiert. So etwas gehört einfach nicht auf’s Spielfeld.

In der Bundesliga kann das ja glücklicherweise nicht so leicht vorkommen. Hat man da mehr Angst, wenn die Fans näher an einem dran sind?
Edin: Mir ist bisher glücklicherweise auch nichts Negatives passiert. Aber erst letztes Jahr hat es beim Spiel St. Anna gegen Gleichenberg einen Assistenten erwischt. Er wurde an der Schläfe getroffen und fiel in Ohnmacht. Ich gehe zwar nicht mit Angst in ein Spiel, aber ich bin mir schon bewusst, was passieren kann.

Wie steht ihr als Schiedsrichter zur Fankultur: etwa Gesänge, Hymnen, Choreographien, Rituale?
Petru: Ich finde das schon cool. Wenn ich an den Mittwoch denke (Anm.: Spiel Rapid gegen Altach), als die Rapid-Fans eine Ernst Happel Choreographie gemacht haben und das Enkerl vom Happel den Anstoß ausgeführt hat, das war schon toll. Dafür gehen wir ja alle ins Stadion, das ist einfach etwas Besonderes. Man kann den Bogen natürlich auch überspannen und alles übertreiben, so wie Legia Warschau das in der Champions League gemacht hat (Anm.: Choreographie zu den Naziverbrechen rund um den Warschauer Aufstand). Optisch sicher beeindruckend, aber man muss hinterfragen, was man damit bewirken will. Sport soll Sport bleiben, die politische Meinung soll außen vor bleiben.

Edin: In den unteren Klassen kommt das ja nicht so oft vor. Aber wie Petru schon gesagt hat, find ich, dass sich das alles in Grenzen halten soll. Politik hat im Sport nichts verloren.

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Dokumentation von Spiegel TV, Zitat eines Schiedsrichters: „Die ersten 15 Minuten gehören mir.” Er möchte das Spiel lesen und verstehen, durch welchen Spieler er einen Draht zur Mannschaft bekommt. Verhält man sich zu Beginn eines Spiels vielleicht anders?
Edin: Am Anfang vom Spiel schau ich mir schon an, was die Mannschaften wollen. Wollen sie eher das Spiel laufen lassen oder wird es eher eine harte Partie. Und man braucht natürlich ein paar Minuten, bis man in ein Spiel rein findet, aber wenn in der ersten Minute bereits ein hartes Foul passiert, ist das trotzdem rot. Ich entscheide bei sowas immer gleich, egal ob erste Minute oder 90.

Petru: Ich bin ein sehr kommunikativer Schiedsrichter. Mir ist wichtig, berechenbar zu sein, dass ich in meine Spielleitung immer gleich reingehe. Ich muss mich adaptieren und Minute für Minute hinterfragen, ob das die richtige Herangehensweise ist, was zum Beispiel die Härte im Spiel betrifft und ob ich mit Disziplinarmaßnahmen eingreifen muss. Gebe ich im Mittelfeld den Vorteil und lasse weiterspielen oder nicht? Wenn ich in der 15. Minute einen sogenannten Sicherheitspfiff mache und das Spiel unterbreche, dann können die Mannschaften in Ruhe ihre Positionen einnehmen. In der 75. Minute kann sich das aber verändern, weil die Spieler sich anpassen, das Spiel am Laufen halten wollen, dann passe ich mich auch an und werde nicht jede kleine regeltechnische Verfehlung sofort pfeifen, sondern das Spiel am Laufen erhalten. Ich versuche die Impulse, die ich von den Spielern bekomme, auch aufzunehmen, zumindest solange die Balance aufrecht bleibt. Wenn eine Mannschaft unbedingt den Spielfluss stören will, die andere aber nicht, dann geht das natürlich nicht. Wenn bei einer Mannschaft die technischen und spielerischen Fähigkeiten fehlen, dann will diese vor dem Sechzehner auch keinen Vorteil haben, aber die Balance muss einfach stimmen.

Wie würdet ihr euren Stil als Schiedsrichter charakterisieren?
Petru: Ich versuche den Spielern zu vermitteln, dass ich auch nur ein Mittel zum Zweck bin, um eine objektive Spielleitung zu erbringen. Für den Fußballer soll der maximale Nutzen im Vordergrund stehen: dass er verletzungsfrei bleibt, sein Bestmögliches abrufen kann und das Spiel attraktiv ist. Wenn ich merke, dass es für die Spieler in Ordnung ist, akzeptiere ich auch eine härtere Gangart. Wenn sie das nicht wollen, dann muss ich mich adaptieren. Ich kann nicht verlangen, dass sich 22 Spieler anpassen.

Es gibt also nicht den Schiedsrichter, der immer gleich agiert?
Petru: Diese Schiedsrichter gibt es, aber ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist. Um eine gute Spielleitung zu haben, brauche ich 22 Akteure, die mithelfen. Wenn die nicht wollen, kann ich die Spielleitung nicht erfolgreich zu Ende umsetzen. Wenn man einem kleinen Kind sagt, dass es mit Stützrädern fahren soll, obwohl es schon bereit ist ohne Stützräder zu fahren, dann ist das zwar sicher, aber nicht unbedingt förderlich. Ich könnte auch in jeder Situation immer sofort pfeifen, das wäre auch sicher, aber die Mannschaften wären damit auch nicht glücklich. Umgekehrt, wenn es ein hartes Spiel ist, und ich pfeife nie etwas, dann wird das auch nicht zu dem Resultat führen, dass man hinterher von einer kontrollierten Spielleitung sprechen kann.

Edin, wie schaut das bei dir aus?
Edin: Das Wichtigste ist der Umgang mit den Akteuren, egal ob Spieler oder Coaches. Die trainieren die ganze Woche hart, sie haben es sich verdient, dass man mit ihnen respektvoll umgeht, egal ob in unteren Klassen oder in der Bundesliga. Man darf auch nicht alles immer zu ernst nehmen, der Schmäh gehört dazu.

Ist Humor ein hilfreiches Mittel oder eher kontraproduktiv?
Petru: Es gibt Spieler, die haben einen ganz anderen Humor als ich, da wäre das schwierig.

Edin: Wenn du da zu viel mit Humor arbeitest, machen die dir das Spiel kaputt. Manche brauchen es einfach, dass man als Schiedsrichter streng ist und sehr regelkonform.  

Wie lange wollt ihr aktiv tätig sein und was macht man nach der Zeit am Platz?
Petru: Ich bin jetzt 28 und kann’s noch überhaupt nicht abschätzen, wie lange ich das noch mache. In den letzten Monaten habe ich mir zum Ziel gesetzt, dass ich es so lange ausübe, wie ich Spaß daran finde. Spaßfaktor und Begeisterung müssen aufrecht bleiben. Seit bald 15 Jahren leite ich Woche für Woche Fußballspiele, aber nur weil ich das quasi immer schon getan habe, werde ich es nicht fortsetzen. Nur wenn ich Freude daran habe und es auf sportlicher oder persönlicher Ebene Möglichkeiten gibt, mich weiterzuentwickeln, werde ich weitermachen. Ansonsten bleibt vieles offen. Ich bin eben 28, verlobt, sollte sich familiär einmal etwas ändern, kann es in fünf Jahren schon ganz anders aussehen, was allerdings nicht mein Ansatz ist.. Ich  gebe Tag für Tag das Beste, um persönlich und sportlich alles rauszuholen und schaue, was für ein Resultat ich dadurch erbringe.

Du hast vorhin schon angesprochen, dass es Dinge im Verband gibt, die besser, professioneller laufen könnten. Kannst du dir vorstellen rund um die Ausbildung oder bezüglich der Strukturen etwas zu ändern?
Petru: Definitiv, das kann ich mir sehr gut vorstellen. Wenn man Strukturen verändern will, muss es aber auch die Möglichkeiten geben, neue Impulse und damit einhergehende Veränderungen werden zu wenig umgesetzt. Wir sind viele Schritte entfernt vom Weltfußball, auf schiedsrichterlicher Ebene, spielerischer Ebene, aber auch auf monetärer Ebene. Wir dürfen die Tage nicht wegen veralteten Strukturen oder Denken verstreichen lassen. Jeder Tag, den wir verlieren, bedeutet einen Verlust von zwei Tagen, was unsere Weiterentwicklung betrifft. In Zukunft möchte ich dem entgegenwirken. Solange ich als Schiedsrichter aktiv bin, will ich mich aber zu 110 Prozent auf diese Karriere konzentrieren

Edin, wie sieht es da bei dir aus.
Edin: Ich bin ja erst 22, ein wenig jünger als Petru, solange ich Spaß habe, gesund bleibe und mich weiterentwickeln kann, werde ich das weitermachen.

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Neben dem Blog betreibt Spielfrei ja auch noch einen Podcast. Beschäftigt ihr euch privat auch mit Blogs bzw. Podcasts? Wie gefallen euch diese mehr oder weniger neuen Formate?
Petru: Auf jeden Fall. Ich bin ja viel im Auto und habe da verschiedene Podcasts, die ich höre, egal ob mit sportlichem oder geschichtlichem Schwerpunkt. So wie jetzt in der Vorweihnachtszeit 17 Mal Last Christmas zu hören, ist für mich nicht so das Wahre. Auch was Trainingslehre betrifft, lese ich mich gerne online ein. Ich schätze aber auch noch immer ein Buch oder lese gerne Magazine wie “Men’s Health”. Durch’s Lesen von Blogs oder Hören von Podcasts generiert man in kürzester Zeit kumulierte Information, so wie ihr das ja auch gerade macht. Man erspart es sich dadurch, sich bei 17 Quellen einzulesen und hat einen gebündelten eineinhalbseitigen Artikel. Natürlich sollte man sich immer kritisch damit auseinandersetzen und hinterfragen, ob man alles glauben kann, was da so steht. Man muss auch zwischen den Zeilen lesen.

Edin, du bist ja jünger als wir alle hier, du nutzt wahrscheinlich Dinge, die wir gar nicht kennen?
Edin: Ich bin ziemlich viel im Internet und teilweise auch auf eher unbekannten Seiten, so wie eure, unterwegs. Da liest man immer wieder interessante Dinge. Tageszeitungen lese ich nicht so oft.

Kann man als Schiedsrichter ein öffentliches Social Media Profil haben?
Petru: Kollegen wie Robert Schörgenhofer oder Manuel Schüttengruber haben so etwas, mein Facebook Profil läuft nicht unter meinem richtigen Namen. Für mich ist das ein Nährboden für Kritik. Ich möchte mich dem nicht aussetzen. Social Media bewerkstelligt, dass jeder seine Meinung kundtun kann, der nicht den Mut oder die Cojones (Anm.: spanisch, umgangssprachlich für Eier) hat, das auch persönlich ins Gesicht zu sagen. Wenn mich jemand von Angesicht zu Angesicht auf eine schlechte Leistung anspricht, dann werde ich davor nicht weglaufen, sondern nachfragen, warum er dieser Meinung ist. Aber 100 Kommentare oder irgendwelche thumbs up interessieren mich nicht, das ist verlorene Energie. Der Franco Foda (Anm.: Trainer der österreichischen Nationalmannschaft) hat es kürzlich auf den Punkt gebracht. Der Nutzen von Social Media ist in Maßen super, aber es ist schon ein Energieräuber. Wenn man sich nur in dieser Scheinwelt bewegt, fragt man sich schon, welchen Nutzen man da hat.

Gibt es noch etwas, das ihr unbedingt sagen wollt, wo ich vielleicht nicht nachgefragt habe?
Petru: Jeder, der ein Feeling für den Fußball hat, der gern dabei sein möchte, kann sich auch mal als Schiedsrichter versuchen. Man muss ja nicht gleich den Weg der Ausbildung gehen, man kann auch Hilfsschiedsrichter werden und zum Beispiel ein U11 Match pfeifen. Vielleicht entsteht dadurch ja eine Passion und es macht Spaß. Man muss als Ziel ja nicht die Bundesliga haben, auch die Landesliga ist super. Wenn man sich Mannschaften wie den GAK anschaut, da kann man vor über 1.000 Leuten ein Spiel leiten. Oder Burgau gegen Neudau, ein Derby in der Oststeiermark von zwei Mannschaften, die gerade mal ein paar Kilometer voneinander entfernt sind. In der Obersteiermark sind die Sportplätze von Niklasdorf und Proleb nur ein paar Meter voneinander entfernt. Wenn man für sich selbst etwas Positives generiert, dabei auch noch Geld verdienen kann und eine körperliche Ertüchtigung hat, dann kann das für jeden etwas sein. Schiedsrichter braucht man im Basketball, Handball, Volleyball, überall.

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