Sebastian Prödl
„Nach einem Spiel in der Premier League fühlt man sich nicht wie ein Fussballer, sondern wie ein Boxer.“

„Go big or go home“ dachten wir, bevor wir unsere Heimreise aus London antreten mussten. Deshalb freut es uns sehr, dass wir mit Sebastian Prödl einen der größten aktiven österreichischen Fussballer für ein Spielfrei-Interview gewinnen konnten. Nachdem wir uns erst kürzlich mit Stefan Maierhofer unter anderem über seine Zeit in England unterhalten haben, sprachen wir natürlich auch mit Sebastian über seinen Alltag auf der Insel. Außerdem wollten wir wissen, wie man sich körperlich auf die harten Bedingungen der Premier League vorbereitet, was die größten Unterschiede zur deutschen Bundesliga sind, welche Ziele er noch für das Nationalteam hat und noch vieles mehr.

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Wie bist du zum Fußball gekommen?
Eigentlich durch meinen Bruder. Er ist nur eineinhalb Jahre älter, ich habe ihm sehr früh alles Mögliche nachgemacht. Er ging zum Ministrieren, ich ging zum Ministrieren. Er ging zum Fussball, ich ging zum Fussball. Er ging zum Tennis und ich ging zum Tennis. Da hat sich relativ früh ein Konkurrenzkampf entwickelt. Außerdem hat in Kirchberg (Anm.: Heimatort) auch noch unser Cousin gewohnt. Wir haben dann alle recht früh begonnen, im Verein Fussball zu spielen.

Wann hat sich herauskristallisiert, dass du von euch dreien die größten Erfolgsaussichten hast?
Was das Talent betrifft, waren wir in der Jugend alle drei ziemlich gleichauf. Mein Bruder hat Stürmer gespielt, mein Cousin im offensiven Mittelfeld und ich war zentraler Mittelfeldspieler. Später haben sie mich dann zurückgestellt, weil ich so lang geworden bin (lacht). Erst durch die Schule hat sich das ein wenig geändert, weil mein Bruder die Oberstufe in Gleisdorf besucht hat und mein Cousin und ich das Monsberger Gymnasium in Graz. Dort haben uns dann Scouts vom SK Sturm entdeckt. Wenn ein Verein anklopft, den man von klein auf bewundert, dann hat man das Gefühl, man ist in der Fussballwelt angekommen.

Oft ist es ja genau anders herum: Man träumt als Kind davon, Profi zu werden und stellt dann irgendwann fest, das Talent reicht wohl nicht aus.
Wir haben den Sport natürlich immer geliebt. Aber wenn dir ein Trainer von Sturm sagt, dass du die Chance hast, dich durchzusetzen, dann fängst du an, an deinen Traum zu glauben. Natürlich gibt dir niemand die Garantie, dass es auch etwas wird. Zum Glück waren wir durch die Tischlerei meiner Familie relativ gut abgesichert. Wir hätten auch für eine berufliche Karriere abseits des Fussballs eine gute Möglichkeit gehabt.

Du hättest sonst also in der Tischlerei gearbeitet?
Das war zumindest der Plan. Wenn ich mich mit meinem Freund Kreimi (Anm.: Mario Kreimer, ehem. SK Sturm, jetzt SV Lebring) vergleiche, dann war er der viel talentiertere Spieler. Er hat schon sehr früh einen Profivertrag und Einsatzzeiten in der Kampfmannschaft bekommen, bei mir hat das etwas länger gedauert. Ich habe zuerst ein Jahr bei den Profis trainiert, bevor ich das erste Mal eingesetzt wurde. Bis dahin war die Chance fifty-fifty, ob ich einen Vertrag bekomme oder nicht. Deswegen wollte ich auf jeden Fall einen Plan B. Mit 18 habe ich dann die Matura gemacht und mit 19 nach einem Ausbildungsweg gesucht, um in die Tischlerei einzusteigen. Mein Vater hat mir dann zum Glück die Möglichkeit geboten, dass ich noch zwei, drei Jahre versuchen konnte, Profi zu werden und nebenbei eine Ausbildung zu machen. Den Einstieg ins Unternehmen habe ich dann jedes Jahr nach hinten verschoben, bis ich letztlich doch Profi geworden bin. Nach der aktiven Karriere kann ich mir aber auf jeden Fall vorstellen, wieder im Familienunternehmen zu arbeiten.

Wird man durch die Ungewissheit, ob es für das Profigeschäft reicht, ein noch härterer Arbeiter?
Auf alle Fälle. In jungen Jahren war das sehr lehrreich für mich. Natürlich hätte ich mir damals auch gewünscht, dass mir jemand versichert Profi zu werden. Aber mir ist harte Arbeit sehr wichtig. Deswegen inspiriert mich auch ein Christiano Ronaldo mehr als zum Beispiel Messi, auch wenn Messi sicher der Talentiertere ist. Bei Ronaldo hat man immer das Gefühl: er hat sich alles erarbeitet und sein Weg war sicher nicht leicht.

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Warum glaubst du, ist Fussball die beliebteste Sportart der Welt?
Fussball wird in sehr vielen Ländern gespielt, in Europa gibt es ja fast in jedem Ort einen Verein. Der Sport ist sehr unterhaltsam. Es hat was mit Unterhaltung zu tun, mit Taktik, mit Physis, mit Talent, mit Emotionen und letztlich auch mit harter Arbeit. Dieser Mix ist sicherlich sehr interessant.

Also spiegelt sich im Fussball das Leben wider?
Das kann man sicher vergleichen, aber der Fussball bietet ja auch etwas für Leute, die nicht dafür geboren sind. Es ist einfach Entertainment. Im Stadion gibt es ein Rahmenprogramm, Halbzeitshows und so weiter, das gefällt den Leuten. Wenn man, so wie ihr (Anm.: die Spielfrei-Redaktion), am Samstag bei Tottenham gegen Arsenal im Stadion sitzt, sind dort sicherlich auch sehr viele Zuschauer, die von Fussball keine Ahnung haben. Fussball zieht einfach an.

Und wenn du selbst ins Stadion gehst: Stehplatz, Sitzplatz oder VIP?
Wenn ich ins Stadion gehe, dann hoffe ich natürlich, dass ich auf dem Platz bin. Zur Not auch auf der Bank. Wobei das eigentlich der schlechteste Platz für einen Fussballer ist, auch wenn die Sicht gut ist (lacht). Jetzt mal im Ernst, ich bin natürlich sehr fussballinteressiert. Ins Stadion gehe ich meistens dann, wenn Freunde von mir spielen, wie zum Beispiel Per Mertesacker (Anm.: Spieler des FC Arsenal), oder wenn ehemalige Mitspieler nach England wechseln, wie Mike Madl (Anm.: ehemals FC Fulham, jetzt Austria Wien). Wenn mich meine Familie besucht, begleite ich sie natürlich auch ins Stadion. Am liebsten bin ich auf den kultigen Plätzen, ich habe zwar nichts gegen Kommerz, aber die Stimmung leidet manchmal schon darunter.

Wie zufrieden bist du bisher mit deiner Leistung in dieser Saison?
Es war eine schwierige Saison für mich persönlich, ich habe ziemlich gelitten. In meiner Karriere gab es schon viele Höhen und Tiefen, aber ich weiß damit umzugehen. Wenn man diese Saison mit der letzten vergleicht, dann sind das natürlich zwei Paar Schuhe. Spielerisch habe ich mich sicher nicht verschlechtert, aber der neue Trainer hat nicht so stark auf mich gebaut. Ich habe mich dann zurück in die Startformation gekämpft, habe gute Leistungen gezeigt, war eigentlich unumstritten und dann kam wieder eine Verletzung. Durch meine Vertragsverlängerung im Sommer und die Auszeichnung als Watford-Spieler der Saison bin ich mit großem Selbstvertrauen in die Saison gestartet, da tun solche Ups and Downs natürlich nicht unbedingt gut. Die Verletzung hat sich dann drei Monate hingezogen, danach musste ich gleich wieder spielen. Vielleicht war das noch zu früh. Ich fand es zwar gut, wieder Einsätze zu bekommen, musste mir die Kraft aber einteilen, weil sie für ein ganzes Spiel sonst nicht ausgereicht hätte. Dadurch bin ich vermutlich zurecht aus der Mannschaft gerutscht. Über Weihnachten habe ich mir dann wieder meine Fitness erarbeitet, zusätzlich hat durch den Trainerwechsel jeder wieder bei null begonnen. Jetzt erhalte ich wieder das Vertrauen des Trainers und kann über die 90 Minuten die volle Leistung abrufen. Das gibt mir ein gutes Gefühl.

Kraft ist für einen Innenverteidiger in der Premier League sicher sehr wichtig. Welcher Gegenspieler war bisher am unangenehmsten zu verteidigen?
Nach einem Spiel in der Premier League fühlt man sich nicht wie ein Fussballer, sondern wie ein Boxer. Man hat überall Schrammen, die Finger und Ellbogen sind angeschwollen, du bist einfach fertig. Aber ich bevorzuge es, gegen physisch starke Spieler wie Giroud, Ibrahimovic oder Lukaku zu spielen. Spieler wie Vardy oder Costa sind hingegen immer am Laufen und gehen immer in die Tiefe. Auch wenn sie siebzehn Mal im Abseits stehen, musst du immer konzentriert sein. Ich bin zwar nicht langsam, aber sie haben natürlich einen Geschwindigkeitsvorteil. Diese unterschiedlichen Spielertypen zeichnen die Premier League aus. Wenn du gegen Chelsea oder Manchester United spielst, hast du viele verschiedene Spieler in einem Match. Da muss man sich gut adaptieren. Ein wenig vermisse ich Diego Costa. Der war zwar auf dem Platz eine richtige „Krätzen“, aber wenn du den mal härter angegangen bist, hat er sich auch nicht beschwert.  

Du hast in der deutschen Bundesliga und in der Premier League gespielt. Was sind für dich die größten Unterschiede?
Die deutsche Bundesliga ist gut, aber die Premier League noch eine Spur besser. Der deutsche Fussball ist auf deutscher Gründlichkeit aufgebaut. Als Innenverteidiger bekommst du im Spiel vom Tormann den Ball – bietet sich keine Abspielllösung an, spielst du wieder zurück. Das geht solange, bis sich eine Lücke auftut, das ist taktisch sehr klug angelegt. In England ist die Taktik zwar auch auf hohem Niveau, aber das Spiel ist viel offensiver orientiert. Wenn du als Innenverteidiger den Ball einmal ins Mittelfeld gespielt hast, bekommst du ihn in der Regel nicht zurück. Ziel ist es, mit viel Tempo zum Abschluss zu kommen. Pro Spiel bin ich in Deutschland durchschnittlich neun bis elf Kilometer gelaufen, in England zwischen neun und zehn. In der Regel laufe ich also in England weniger Kilometer, aber ich habe fast um ein Drittel mehr Sprints.  

Und abseits vom Platz?
Die englische Liga ist ja eine der wenigen, in der im Winter durchgespielt wird. Eine Vorbereitung gibt es nur im Sommer. Die ist natürlich hart, aber du darfst dich nicht zu sehr verausgaben. Daher sind die Vereine in den ersten Wochen der Saison oft nicht auf ihrem höchsten Niveau. Das Entscheidende ist, dass man einen guten Rhythmus findet. Training gibt es nur eines pro Tag. Das ist zwar etwas länger, aber zwischen drei und vier Uhr bin ich meistens zuhause. Wir haben ein eigenes Restaurant am Trainingsgelände, dort frühstücken wir, machen unsere Vorbereitungen und bekommen Massagen. Taktische Besprechungen, Nachbereitungen, Regeneration, Mittagessen finden ebenfalls dort statt. Alles wird individuell auf die Person abgestimmt. Zwei bis dreimal pro Woche ist die Intensität des Trainings sehr hoch, ansonsten wird aber darauf geachtet, dass es nicht zu hart wird, da die Saison doch sehr lange ist. Und einmal pro Woche haben wir frei. Die härteste Zeit ist rund um Weihnachten, zwischen den Spielen vergehen oft nicht einmal 48 Stunden. Da hat man kaum Zeit zu regenerieren und muss schauen, dass man irgendwie drüber kommt. Das gilt auch für die Punkte. In den letzten drei Saisonen ist es uns leider nie gelungen, in dieser Zeit genug Punkte zu holen, um mit dem Abstiegskampf nichts zu tun zu haben. Zu Weihnachten ist es natürlich auch privat hart. Wir bekommen viel Besuch, da findet man nach dem Spiel nicht immer die notwendige Ruhe, um seine Gäste auch zu unterhalten.

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Kevin De Bruyne hat kürzlich in einem Interview gemeint: „Du fühlst dich gut für 10 Spiele, die nächsten 10 fühlst du dich okay, danach fühlst du dich scheiße.“ Geht es dir auch so?
Er macht natürlich noch mehr Spiele als ich. Seine Mannschaft ist technisch und physisch auf einem anderen Niveau. Aber es gibt schon Spiele, in denen man mental stark sein muss, um sie physisch gut zu überstehen. Im ersten Jahr in England bin ich sehr gut über die Weihnachtstage gekommen, aber der Einbruch kam dann eben im Februar. Mittlerweile kann ich das besser managen und achte genau darauf, wie ich mich ernähren muss und regeneriere.

Kann das ein Grund dafür sein, dass englische Vereine international im Frühjahr oft schwächeln?
Ich glaube schon. Bei den großen Klubs sieht man jetzt ja, dass sie entsprechend vorsorgen. Man City oder United sind auf jeder Position doppelt besetzt – erster Stürmer Lukaku, zweiter Stürmer Ibrahimović. Dann kommt zum internationalen Geschäft auch noch der FA Cup und der League Cup dazu, die Länderspiele. Aber ich habe es letztes Jahr schon in einem Interview angesprochen: Die Premier League schüttet mittlerweile so hohe Gewinne aus, dass es für englische Vereine mehr Sinn macht, die Premier League als die Champions League zu gewinnen. Der englische Absteiger bekommt pro Jahr mehr Geld von der Liga als der deutsche Meister Bayern München. Deswegen treten die englischen Vereine in der Europa League auch oft mit Mannschaften an, von denen man keinen einzigen Spieler kennt.

Was genießt du am meisten am Leben in London?
Ich habe mich bewusst für die Internationalität der Stadt London entschieden, auch wenn ich deswegen jeden Tag mit dem Auto unterwegs bin. Im Gegensatz zu Bremen kann ich hier einfach abtauchen und mich sehr frei bewegen. Auch das kulturelle Angebot der Stadt genieße ich abseits vom Arbeitsplatz sehr. Die Work/Life-Balance passt einfach.

Und was fehlt dir?
Kürzlich hat uns (Anm.: Sebastian und seine Freundin) die österreichische Küche gefehlt, aber wir sind dann einfach zum Österreicher gegangen (lacht). Was wir natürlich auch vermissen, ist die Familie.

Wie gut bist du eigentlich mit den restlichen Österreichern in England vernetzt? Trefft ihr euch regelmäßig? Gibt es so etwas wie einen Österreicher-Stammtisch?
Man muss sich das wie unter Arbeitskollegen vorstellen. Mit manchen ist man befreundet, die trifft man auch. Andere sind eben Kollegen, mit denen man über die Arbeit verbunden ist. Wenn wir gegeneinander spielen, gibt es schon Kontakt. Dann tauschen wir uns aus oder gehen gemeinsam essen. Ganz gezielt treffen wir uns aber nicht allzu oft. Mit Mike Madl und Konstantin Kerschbaumer (Anm.: FC Brentford) habe ich mich oft getroffen, weil wir gut befreundet sind und es auch geografisch in der Riesenstadt London gepasst hat. Wenn ich mich zum Beispiel mit Marko Arnautovic treffen möchte, geht einfach viel Zeit drauf. Er wohnt im Süden von London und ich im Norden. Selbst wenn wir uns in der Mitte treffen, sind wir beide eine Dreiviertelstunde unterwegs.

Also ist unsere romantische Vorstellung vom Gasthaus in London, wo am Tisch ein Österreich-Wimpel steht, übertrieben?
Am Anfang haben wir mal so ein Essen organisiert, da war dann sogar die “Kronen Zeitung” dabei (lacht). Mike Madl hat die angeschleppt, ansonsten waren noch Marco Djuricin (Anm.: ehem. FC Brentford, jetzt Grasshoppers Zürich) Konstantin Kerschbaumer und Johnny Ertl (Anm.: ehem. Sheffield United, jetzt im Vorstand des FC Portsmouth) da. Das war ganz lustig. Aber es ist auch nicht so einfach in der Innenstadt von London spontan einen Tisch für acht Personen zu bekommen.

Anlässlich unseres Themenschwerpunkts Frauenfussball haben wir uns auch mit deiner Cousine Viktoria Schnaderbeck unterhalten. Wie gut kannst du von London aus ihre Karriere verfolgen?
Wir sind natürlich ständig in Kontakt, aber ich sehe kaum Spiele von ihr. Die EM konnte ich empfangen, vor allem, weil Frauenfussball in England eine große Bedeutung hat. Ich würde mir auch wünschen, dass sie eines Tages hier spielt, sie passt einfach perfekt hierher. Der Frauenfussball hat sich in den letzten Jahren gut entwickelt und endlich etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen. Man muss ihn eigenständig betrachten und darf nicht immer den Vergleich zu den Männern ziehen. Die Leistungen, die das Nationalteam und Viki erbracht haben, waren herausragend.

Trotz der Erfolge steht Frauenfussball medial eher im Abseits. Was wäre deiner Meinung nach notwendig, um das zu ändern?
Ich würde nicht sagen, dass der Frauenfussball im Abseits steht, Männerfussball ist einfach sehr dominant. Man müsste die Spiele öfter übertragen und den Leuten auch mehr zutragen. Hätte der ORF die Frauen-Europameisterschaft nicht gezeigt, gäbe es in Österreich eine Million weniger interessierte Zuseher.

Siehst du es also auch kritisch, dass der Männerfussball in Österreich aus dem Free TV verschwindet?
Ich bin weder ein Funktionär, noch möchte ich besonders gescheit daherreden. Aber dass wir im österreichischen Fussball Veränderungen brauchen, liegt auf der Hand. Auf Sky ist es problemlos möglich, die deutsche Bundesliga zu verfolgen. Dort wird dieselbe Sprache gesprochen, es spielen viele Österreicher und der Fussball hat hohes Niveau. Natürlich kehren dann etliche Leute dem österreichischen Fussball den Rücken und suchen sich einen neuen Lieblingsverein in Deutschland. Letztes Wochenende haben wir wieder österreichischen Fussball geschaut und meine Freundin hat mich gefragt, ob das Freundschaftsspiele sind, weil so wenig Leute im Stadion waren. Das tut weh, die Liga sollte sich deshalb etwas einfallen lassen. Vielleicht wird es ja durch die Zwölfer-Liga wieder spannender und die Fans kommen wieder ins Stadion.

Bezeichnend für unsere Liga  ist auch, dass beim Frühjahrsauftakt in Salzburg gerade mal 4095 Zuschauer im Stadion waren.
Man muss sich einfach etwas einfallen lassen. In Spanien werden zum Beispiel zuerst die Plätze verkauft, die von der Hauptkamera aus sichtbar sind. Das sind zwar nur kleine optische Tricks, aber die probieren wenigstens etwas. Außerdem sollte man versuchen, alle Traditionsvereine zurück in die Bundesliga zu bekommen. Ich bin Sturm-Fan, aber wir brauchen auch den GAK in der Liga. Aus Tirol muss Wacker Innsbruck aufsteigen, der WAC könnte nach Klagenfurt ins große Stadion. Die Vereine mit Fankultur sollte man pushen, dann herrscht auch in den kleinen Stadien eine geile Stimmung. Als der GAK seinerzeit abgestiegen ist, haben sich alle gefreut. Dabei braucht Sturm das Stadtderby. Jetzt gibt es nur noch gegen Salzburg und Rapid Spiele vor großer Kulisse.

Als Aussenstehender wirkt deine Karriere sehr wohlüberlegt. Triffst du deine Entscheidungen immer alleine bzw. welche Personen sind dabei involviert?
Ich treffe gerne Entscheidungen, aber ich lasse mir dabei auch genügend Zeit. Ich berate mich mit meiner Familie, meiner Freundin und ein paar Leuten, die mich sehr gut kennen. Mir geht es nicht darum, dass sie mir sagen, was ich tun soll, sondern dass sie mich mit ein paar Fragen konfrontieren bzw. ich ihnen Fragen stellen kann. Natürlich spielen Wohnort und die Vereinsstruktur auch wichtige Rollen, aber in Summe muss ich mich einfach wohlfühlen. Das ist ein Prozess, der dauert eben etwas länger. Letzten Endes treffe ich die Entscheidung dann selbst. Das Finanzielle stand dabei nie im Vordergrund, es gab noch vor jeder Vertragsunterzeichnung ein finanziell besseres Angebot eines anderen Vereins. Aber mir ist wichtiger, wie der Verein in der Vergangenheit gearbeitet hat und welche Pläne er für die Zukunft hat. Bei Sturm war die Liebe zum Verein entscheidend, Bremen war ebenfalls ein Verein, den ich immer schon sympathisch fand und der mit Thomas Schaaf (Anm.: ehem. Trainer von Werder Bremen) auch eine Konstante hatte, die für mich beeindruckend war. Außerdem hat mit Martin Harnik (Anm.: ehem. Spieler von Werder Bremen, jetzt bei Hannover 96) ein Freund von mir dort gespielt. Für Watford hat dann gesprochen, dass sie vorhatten, sich in der Premier League langristig zu etablieren und ich in dieser Aufbauphase mitwirken wollte. Jetzt spielen wir schon das dritte Jahr in der Premier League, was damals vielleicht auch nicht viele für möglich gehalten haben. Bis dato bereue ich noch keine einzige meiner Entscheidungen.

War der Wechsel zu Watford also die beste Entscheidung in deiner Karriere?
Das kann man so nicht sagen. Ich habe bei allen drei Vereinen sowohl Erfolge gefeiert als auch gelitten, Fussball ist eben ein Tagesgeschäft. Letzte Woche am Montag haben wir gegen Chelsea gewonnen, die Tage danach waren ein Traum. Dieses Wochenende gab es gegen West Ham eine Niederlage, das war weniger gut. Zusätzlich haben unsere direkten Konkurrenten alle gewonnen. Davon darf man sich aber emotional nicht zu stark beeinflussen lassen. Meine Karriere war bisher sehr rund, der Wohlfühlfaktor abseits des Platzes auch sehr hoch. Antrieb und Spaß haben immer gepasst, daher war bisher jede Entscheidung sehr gut.

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Ein 16-jähriges Nachwuchstalent aus der Südoststeiermark plant seine nächsten Karriereschritte. Was würdest du ihm raten?
Am wichtigsten ist es, dass Fussball einen ganz großen Stellenwert in deinem Leben hat. Ich hatte damals mit meinem Freundeskreis sicherlich auch ein wenig Glück, aber wir waren mit 16 abends keine drei mal im Jahr unterwegs. Wir haben dem Fussball einfach vieles untergeordnet und auf Dinge verzichtet, die für andere in unserem Alter selbstverständlich waren. Außerdem muss man im Kopf wirklich bereit dafür sein.

Soll er schnellstmöglich ins Ausland oder sich zuerst in der heimischen Liga durchsetzen?
Das ist pauschal schwer zu sagen, die österreichische Liga kann vor allem in Richtung Deutschland ein gutes Sprungbrett sein. Die Scoutingsysteme der internationalen Vereine reichen natürlich auch bis zur österreichischen Liga, da braucht sich niemand Sorgen zu machen. Wenn du in Österreich gut bist, wirst du gesehen, da fällt niemand mehr durchs Raster. Jeder talentierte Spieler aus der U16 von Sturm ist auch bei Bayern München bekannt. Wenn in dem Alter so ein großer Verein auf einen zukommt, dann sollte man sich das schon überlegen. Aber zwingend notwendig ist es sicher nicht, dass man mit 16 ins Ausland geht. Die Ausbildung in Österreich ist keinesfalls schlecht, das kann man auch an den Erfolgen der Nachwuchs-Nationalteams erkennen.

Franco Foda ist neuer Teamchef, für dich ein alter Bekannter. Was wird er im Nationalteam anders machen als sein Vorgänger?
Verletzungsbedingt war ich beim letzten Mal leider nicht dabei. Aber ich kenne Franco natürlich noch aus meiner Zeit bei Sturm. Er hat damals schon über den Tellerrand geblickt und war daran interessiert, internationale Trainingsformen und Taktiken anzuwenden. Das wird er sicherlich nicht abgelegt haben. Mit seiner Herangehensweise kann er auf jeden Fall etwas bewirken. Außerdem sehe ich einen Vorteil darin, dass er keine ganz eingesessene Mannschaft übernimmt, es gab ja doch einige Rücktritte. Er kann das Erbe von Marcel Koller antreten, aber trotzdem etwas Neues formen. Der Zeitpunkt der Übernahme war sicherlich gut. Er hat jetzt ein paar Freundschaftsspiele, dann kommt die Nations League. So hat er Zeit, etwas zu entwickeln.

Was möchtest du mit dem Nationalteam in den nächsten Jahren noch erreichen?
Wir haben eine gute Mannschaft und berechtigte Chancen, uns für Turniere zu qualifizieren. Allerdings hat sich der internationale Fussball generell stark verbessert. Wenn man sich Island oder Belgien ansieht, sind das Länder, die nicht viel größer als Österreich sind, aber Topmannschaften haben. In Österreich glaubt man oft, dass wir uns qualifizieren müssen, weil wir ja fünf Legionäre in England und fünfzehn in Deutschland haben. Aber Mannschaften wie Bosnien oder Serbien bestehen ausschließlich aus Legionären, die Konkurrenz ist auch in anderen Ländern gewachsen. An einem großen Turnier teilzunehmen ist sicherlich noch ein Ziel von mir, aber es wird nicht einfach werden. Auch wenn mir im Nationalteam unter anderem mit Junuzović und Harnik zwei gute Freunde abhanden gekommen sind, möchte ich weitermachen, solange ich noch konkurrenzfähig bin.

Du bist jetzt bald 31. Was erwartest du dir noch von deiner aktiven Zeit als Profi?
Mein Vertrag läuft noch drei Jahre. In England ist man natürlich immer austauschbar, Geld ist bei den Klubs ja ausreichend vorhanden. Ein paar Jahre würde ich gerne noch hier spielen. Wenn ich mir dann in Europa eine Liga aussuchen könnte, dann würde ich gerne nach Italien gehen. Die Serie A hat mich immer gereizt und als Verteidiger kann man durch die taktisch geprägte Spielweise auch als älterer Spieler noch die erforderliche Leistung bringen.

Wäre am Ende deiner Karriere auch Sturm nochmal ein Thema für dich?
Sturm ist natürlich mein Verein in Österreich, ich könnte mir nicht vorstellen dort für einen anderen Club zu spielen. Aber ob ich nochmal zurückkomme, kann ich aus jetziger Sicht nicht sagen.

Gibt es schon Pläne für die Zeit nach deiner aktiven Karriere?
Ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, ins Familienunternehmen einzusteigen, aber dazu muss ich mich erst mit meinem Bruder austauschen. Der Plan war immer, mich ab 30 mit der Zeit nach meiner aktiven Karriere auseinanderzusetzen. Im letzten halben Jahr habe ich mir schon über einige Berufsmöglichkeiten Gedanken gemacht, am Ende meiner Laufbahn möchte ich aber auf jeden Fall einen konkreten Plan haben.

Das hört sich so an, als ob eine Trainerkarriere eher unwahrscheinlich ist?
Aktuell unwahrscheinlich, aber ich möchte es auch nicht ganz ausschließen. In Österreich gibt es ja die weit verbreitete Meinung, dass ein guter Spieler auch ein guter Trainer sein wird. Das kann natürlich so sein, muss es aber nicht.

Neben dem Blog betreibt Spielfrei ja auch noch einen Podcast. Beschäftigst du dich privat auch mit Blogs bzw. Podcasts? Wie gefallen dir diese mehr oder weniger neuen Formate?
Fussballnews checke ich natürlich schon regelmäßig, aber mir ist es auch wichtig, dass ich hier und da ein wenig vom Fussball wegkomme.

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2 thoughts on “Sebastian Prödl
„Nach einem Spiel in der Premier League fühlt man sich nicht wie ein Fussballer, sondern wie ein Boxer.“”

  1. […]Natürlich kehren dann etliche Leute dem österreichischen Fussball den Rücken und suchen sich einen neuen Lieblingsverein in Deutschland[…] – das ist doch jetzt schon so dass die Gloryhunter Champions League Fans (wie ich sie nenne) immer mehr werden. Denke das wird nicht besser werden, weil als kleiner Verein ist es mittlerweile unmöglich geworden internationale Erfolge zu erzielen. Und das richtig schlimme, zeigt ein Spieler auf ist er schon in einem halben Jahr weg. Bleibe aber dem österreichischen Fussball weiter erhalten, aber ich komme mir immer mehr wie ein Einzelkämpfer vor.

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