Viktoria Schnaderbeck 
„Bei all dem Spaß und der Lockerheit muss der Fokus immer an erster Stelle stehen“

Für das erste Interview der Spielfrei Geschichte durften wir uns mit niemand geringerer als Viktoria Schnaderbeck unterhalten. Die gebürtige Grazerin spielt seit 2007 beim FC Bayern München und ist Kapitänin des Österreichischen Frauenfussball Nationalteams. Abseits des Platzes studiert sie Sportmanagement, arbeitet mit sanSirro an ihrem eigenen Merchandise und designt zusammen mit COWstyle eine Schmuck-Kollektion.

© Viktoria Schnaderbeck

Im Interview haben wir uns mit ihr unter anderem über ihre ersten Schritte im Fussball, die äußerst erfolgreiche Europameisterschaft und die Unterschiede zwischen Frauen- und Männerfussball unterhalten. Viel Spaß beim Lesen!



Wie bist du zum Fussball gekommen?

Über Schulkollegen und meine beiden Cousins Sebastian und Matthias (Anm.: Prödl), mit denen ich immer gespielt habe und die mich dann auch zum Training mitgenommen haben. 

Was war das erste Fussballereignis, an das du dich konkret erinnern kannst? Gibt es da etwas, das dich speziell geprägt hat?
Das Allererste, an das ich mich erinnern kann, war mein erstes Training, das war noch bevor ich ich in meiner Heimatgemeinde beim Verein gespielt habe. Es waren viele neue, ungewohnte Eindrücke, die da auf mich zugekommen sind.

Ungewöhnlich, aber gut?
Auf jeden Fall! Es war ähnlich wie beim ersten Schultag: neue Kinder kennenlernen, ein neues Umfeld, einfach neue Erfahrungen sammeln.

Warum glaubst du, ist Fussball die beliebteste Sportart der Welt?
Einerseits weil man Fussball mit einem sehr geringen finanziellen, aber andererseits auch mit einem sehr geringen organisatorischen Aufwand betreiben kann. Man braucht nur zu einem Verein gehen bzw. eigentlich reicht schon ein Ball und ein Platz und man kann sofort loslegen. Außerdem ist es eine sehr soziale Sportart, der Teamgedanke steht im Vordergrund. Neben dem sozialen Faktor bietet der Fussball aber auch eine große emotionale Komponente, sowohl beim aktiven Betreiben als auch beim passiven Zusehen.

Stichwort Emotion, hast du einen Lieblingsverein?
Einen richtigen Lieblingsverein habe ich nicht. Als Kind habe ich immer mit Sturm Graz mitgefiebert. 

Wie sehr beschäftigst du dich mit Fankultur im Allgemeinen: etwa Gesänge, Hymnen, Choreographien?
Ich habe mich damit im Rahmen von meinem Studium auseinandergesetzt. In einer Arbeit habe ich die Fankultur des 1. FC Köln analysiert. Das Thema beschäftigt mich eher beruflich bzw. in meiner Ausbildung, selber mitsingen tue ich eher nicht.

Stehplatz, Sitzplatz oder VIP?
Wenn ich ehrlich bin, eher VIP-Bereich. Ich brauche zwar nicht alles, was einem da geboten wird, aber das Ambiente ist doch sehr schön.

Wie wichtig sind dir Trends, z.B. bei Fussballschuhen? Greifst du da immer sofort zum neuesten Modell?
Da bin ich eher untypisch. Ich habe meine Schuhe gern länger, trage sie ordentlich ein, um meinen eigenen Schuh daraus zu machen. Wenn ich neue Designs von meinem Ausstatter Nike bekomme, freue ich mich schon, es ist mir aber nicht so wichtig. Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich habe.

© Viktoria Schnaderbeck

Eine denkwürdige Europameisterschaft liegt hinter uns. Wie hast du die letzten Wochen erlebt?
Sehr emotional. Sehr viele positive, aber bedingt durch meine Verletzungen auch einige negative Emotionen. Vor allem die ständige Frage, ob ich rechtzeitig fit werde, hat viel Energie gekostet. Alles in allem überwiegt aber natürlich das Positive. Sportlich gesehen und auch wie das Turnier seinen Lauf genommen hat, war es der absolute Wahnsinn. Bei allem, was danach kam, bin ich mir nicht sicher, ob ich das bis heute überhaupt realisiert habe. Egal ob am Flughafen, in Wien am Rathausplatz oder in meiner Heimatgemeinde durch meine Familie, überall wurde ich überragend empfangen. In der Form war das für mich auch neu und bleibt unvergesslich.

Worauf führst du den Riesenerfolg bei der Europameisterschaft zurück?
Wir haben versucht das zu machen, was wir immer machen. Wir haben an unseren Prozessen, Vorgehensweisen, unserer Mentalität und Spielidee festgehalten. Darüber hinaus waren wir als es darauf ankam sofort bereit. Das hat mit dem Schweiz-Spiel begonnen bzw. war auch schon die ganze Vorbereitung gut. Die Stimmung war immer gut, es lag einfach irgendwie in der Luft. Einerseits war es eine tolle Teamleistung, andererseits wurden sportlich auch sehr gute Entscheidungen getroffen.

Aus der Sicht von außen kann ich nur bestätigen, dass alles sehr harmonisch gewirkt hat.
Absolut!

Wie läuft das bei euch in der Kabine ab? Gibt es da jemanden, der für die Stimmung sorgt? Eine Kabinen-DJane vielleicht?
Wir haben natürlich schon DJanes, sie sind jedoch nicht die einzigen, die für gute Stimmung sorgen. Es gibt eine ausgewogene Mischung aus Leuten, die sich einbringen, aber auch aufpassen, dass das Teamklima und der Fokus nicht gefährdet sind. Das ist etwas, das mir auch extrem wichtig ist. Bei all dem Spaß und der Lockerheit muss der Fokus immer an erster Stelle stehen. Wir haben im Team glücklicherweise sehr viele Typen, die absolute Vollprofis sind, aber auch auf die Stimmung schauen. Ich kann da jetzt gar nicht bestimmte Personen hervorheben.

Die Stimmung hat offensichtlich gepasst, das ist auch im Fernsehen so rübergekommen.
Genau, ja!

Früher wurde abseits des Trainingsplatzes oft Karten gespielt, heute duelliert man sich vermutlich eher auf der Playstation. Wie läuft das im Nationalteam ab?
Natürlich gibt es bei uns auch einige, die Fifa spielen, aber der Großteil trifft sich lieber, um einen Film zu schauen oder um bei einem Kaffee ein wenig zu tratschen. Im Camp selbst sind wir auch oft mit dem E-Bike in die Stadt gefahren, um auch etwas Zeit außerhalb des Hotels zu verbringen. Hier und da wird auch noch Karten gespielt, ab und zu setzten wir uns auch einfach zusammen und essen ein wenig Schokolade.

Wir haben uns in einer früheren Ausgabe unseres Podcasts auch mit dem Thema Homosexualität im Fussball auseinandergesetzt. Laut einem Artikel der NZZ waren bei dieser EM 11 Spielerinnen, die sich öffentlich geoutet haben. Im Männerfussball aktuell leider noch undenkbar. Wir waren uns bezüglich des Themas Outing selbst auch nicht ganz sicher: ja, wegen der Vorbildfunktion bzw. nein, weil es Privatsache ist. Wie siehst du das?
Ich bin der Meinung, egal ob Mann oder Frau bzw. egal welche Sportart es betrifft, dass man das immer für sich selbst entscheiden muss. Jeder sollte für sich entscheiden, wie er in der Öffentlichkeit mit seinem Privatleben umgeht. Unabhängig von der sexuellen Orientierung ist es wichtig, dass man sich überlegt, welche Informationen man preisgeben möchte. Jeder sollte darauf achten, das zu tun, was ihn glücklich macht. In der Hinsicht bin ich sehr offen und umgänglich in jeglicher Thematik.

Ist die große Einkommensschere zwischen Frauen- und Männerfussball ein Thema innerhalb des Teams?
Ich versuche immer das Positive zu sehen. Ich bin froh, dass ich davon leben kann und es hat sich ja im Frauenfussball auch schon einiges getan. Natürlich muss man auch die andere Seite hinterfragen. Wir haben ja denselben Aufwand wie die Männer. Wir richten unser ganzes Leben auf den Fussball aus und gefährden teilweise ja auch unsere Gesundheit. Aus diesem Grund wurde ich es schon schön finden, wenn sich das Gehalt ein wenig mehr angleichen würde. Da geht es meiner Meinung nach nicht nur um Trikotverkäufe und dergleichen, sondern einfach um eine Aufwandsentschädigung oder Kompensation für das, was man opfert. 

Wo siehst du die größten Fortschritte im Frauenfussball?
Wenn man die letzten Jahre betrachtet, ist es sehr auffällig, dass es in den guten Ligen immer mehr Klubs gibt, die jetzt auch ein Frauenteam aufbauen und sowohl finanziell als auch infrastrukturell sehr gute Bedingungen zur Verfügung stellen. Egal ob England oder Frankreich, mittlerweile auch Italien und Spanien, in Deutschland sowieso, überall tut sich was. Man sieht das letztendlich auch in der Champions League. Die Mannschaften, die aus diesen Ländern kommen, halten bis zum Schluss durch. Eine weitere Entwicklung sehe ich auch im Spielniveau. Es gibt qualitativ, aber auch athletisch sehr gut ausgebildete Spielerinnen. 

Und wo gibt es den größten Aufholbedarf?
Man sollte noch mehr Vereine dazu bringen den Frauenfußball zu pushen. Bei den europäischen Topklubs herrschen natürlich sehr professionelle Bedingungen, aber es gibt auch noch viele Spielerinnen in Teams, die nebenbei arbeiten oder studieren müssen. Man sollte Spielerinnen, die auf dem höchsten Niveau spielen, die Möglichkeit geben ihren Sport professionell auszuüben. Weiteren Verbesserungsbedarf sehe ich im Nachwuchs. Die Vereine, Landes- und Bundesverbände sollten Bedingungen schaffen bzw. Anreize setzen, damit es keinen Unterschied macht, ob ein Mädchen oder ein Bub zum Fussballspielen anfängt. 

© Viktoria Schnaderbeck

Rechnest du, auch bedingt durch die positive EM, mit einem Boom im Nachwuchsbereich?
Ich habe in letzter Zeit bei vielen Mädels miterlebt, dass sie jetzt auch gerne zum Fussballspielen anfangen möchten. Dafür müssen aber natürlich auch die Rahmenbedingungen passen. Erst kürzlich habe ich von einer Spielerin gehört, die seit Jahren bei einem Verein spielt, jetzt sogar im LAZ (Anm.: Landesausbildungszentrum) ist und jetzt keine Unterstützung mehr bekommt, weil der Verein lieber die Jungs fördert. Das ist jetzt nur ein Beispiel, aber auch sinnbildlich dafür, wo es noch Änderungsbedarf gibt.

Die Trennung zwischen Mädchen und Jungen erfolgt in Österreich mit 14 Jahren, oder?
Ja, mit Sondergenehmigung erfolgt die Trennung sogar erst mit 15. Ich finde das auch ok, ab dann ist man vielleicht an einem Punkt, wo es sozialpädagogisch und auch sportlich sinnvoll ist. 

In den Niederlanden erfolgt die Trennung sogar erst mit 16 Jahren. Findest du das besser?
14 Jahre finde ich noch zu früh, man kann auf jeden Fall bis 15 gemeinsam spielen. Aber darin sehe ich gar nicht das Problem. Viel entscheidender ist, dass es im Alter von sechs, sieben oder acht Jahren keinen Unterscheid zwischen Mädchen und Jungs geben darf.

Du bist mit 16 nach Deutschland gewechselt. Wie schwer war es damals für dich, mit der neuen Umgebung klar zu kommen?
Anfangs schon sehr schwer. Mir war das gar nicht so bewusst, aber man muss alles neu aufbauen. Man ist in einer fremden Stadt, in einer fremden Mannschaft, auch irgendwie in einer fremden Kultur bzw. Kulturkreis. Es gibt eine andere Mentalität, man fühlt sich einfach fremd. Das Vertraute wie Freunde und Familie, was meiner Meinung nach gerade in dem Alter sehr wichtig ist, fehlt einfach. Das war schon eine sehr große Umstellung für mich.

Bist du ganz alleine nach München gegangen?
Nein, das war schon ein großer Vorteil für mich. Ich bin damals mit Carina Wenninger (Anm.: ebenfalls Teamspielerin und Mannschaftskollegin beim FC Bayern) und ihrem Papa nach München gegangen. Wir haben dort quasi in einer WG gelebt, was das Ganze natürlich sehr erleichtert hat. Dennoch haben natürlich gewissen Dinge einfach gefehlt. 

Du bist jetzt 26 – das vielleicht beste Fussballerinnenalter. Welche Ziele hast du dir für deine weitere Karriere gesetzt?
Wenn man Erfolge hat, dann will man natürlich immer noch mehr. Als Nächstes steht die WM-Qualifikation an. Wir sind uns alle bewusst, wie schwierig das wird, aber wenn wir es schaffen unsere Chancen so lange wie möglich zu wahren und die Quali vielleicht schaffen, dann wäre das natürlich schon noch ein Karriere-Highlight mit der Nationalmannschaft. Mit dem Verein sind wir letztes Jahr erstmals ins Viertelfinale der Champions League gekommen, das war natürlich der Wahnsinn, aber wenn wir da noch weiter kommen würden, dann wäre das natürlich ganz was Besonderes. 

Wie kann man sich bei einem großen Verein wie dem FC Bayern den Kontakt zwischen den männlichen und weiblichen Profis vorstellen? Läuft man sich da regelmäßig über den Weg, begegnet man sich auf Augenhöhe und tauscht man sich aus?
Mittlerweile sieht man sich eher wenig. Wir sind kürzlich in das neue Nachwuchsleistungszentrum in Fröttmaning umgezogen. Somit sind wir räumlich getrennt. Kontakt gibt es eher bei offiziellen Events. Als wir noch an der Säbener Straße (Anm.: Trainingszentrum des FC Bayern) waren, haben wir mit den Männern gemeinsam gegessen. 

Gibt es einen Österreicher-Treff in München?
Bei uns Mädels gibt es das. Mit dem David (Anm.: Alaba) eher weniger. Wenn wir uns über den Weg laufen, quatschen wir immer, da ist es cool, wenn wir uns austauschen können. Aber mit den Mädels ist das Verhältnis schon intensiver, das sind wirklich gute Freundinnen von mir. 

Ein weiteres Thema, mit dem wir uns im Podcast bereits auseinandergesetzt haben, ist Kommerz vs. Tradition. Wie beschäftigst du dich damit? Was hat das für einen Stellenwert? Dietrich Mateschitz hat einmal gemeint, dass es in 500 Jahren wohl keinen Unterschied mehr zwischen Bayern und Leipzig geben werde.
Es geht natürlich in diese Richtung. Ich finde Tradition dennoch sehr wichtig. Tradition steht auch für Wurzeln und Geschichtliches. Ich bin selbst auch sehr heimatverbunden. Der heutige Fussball wird natürlich stark durch Kommerz geprägt. Wahrscheinlich muss man irgendwann darauf aufspringen. Das beste Beispiel ist 1860 München. Die haben eine Wahnsinnstradition, aber wenn das Drumherum nicht passt, hilft das auch alles nichts. 

Neben dem Blog betreibt Spielfrei ja auch noch einen Podcast. Beschäftigst du dich privat auch mit Blogs bzw. Podcasts? Wie gefallen dir diese mehr oder weniger neuen Formate?
Das kommt mir natürlich auch unter. Meine eigenen Medien richte ich eher auf Facebook und Instagram aus und versuche die zu betreiben. Im Moment bleibt allerdings wenig Zeit, um mich damit intensiver auseinanderzusetzen. 

Danke für das Gespräch, es hat uns sehr gefreut. Alles Gute weiterhin!
Danke auch!

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„Bei all dem Spaß und der Lockerheit muss der Fokus immer an erster Stelle stehen“”

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